Wissensmanagement in öffentlichen Verwaltungen - Ziele und Ansatzpunkte

    19. Dezember 2004 von Horst Müller

    Dieser Artikel bietet eine Einführung in das Thema "Wissensmanagement in öffentlichen Verwaltungen". Es werden Begriffe, Besonderheiten von öffentlichen Verwaltungen und grundlegende Ziele geklärt. Er ist daher gut als Basis, gerade auch für die Leser geeignet, für die Wissensmanagement generell ein neues Thema ist.

    1. Wissensmanagement in Organisationen

     

    Wissensmanagement (Knowledge Management) wird in diesem Zusammenhang als

    • systematische
    • Bereitstellung und Verwendung
    • strukturierter Informationen
    • aus heterogenen Quellen
    • zur Unterstützung wissensbasierter Arbeit
    • in Organisationen

    bestimmt.

    Informationen sind Angaben über Sachverhalte (Tatsachen und Prozesse). Sie werden durch Daten (in analoger oder digitaler Form) repräsentiert, über deren Bedeutung allgemein oder zwischen den am Informationsaustausch Beteiligten Konsens besteht. Strukturiert werden Informa-tionen durch ihre logisch-funktionale Verknüpfung in Denkprozessen oder durch rational gestaltete automatisierte Programme. Strukturierte Infor-mationen stellen Wissen dar. Es wird vom Handelnden entweder selbst gewonnen oder aus fremden Quellen adaptiert.

    Wissensmanagement in Organisationen kann demnach als eine Tätigkeit verstanden werden, die ständig und zielgerichtet darauf abstellt, das für das Erreichen der Organisationsziele erforderliche Wissen verfügbar zu halten und bei den Leistungsprozessen einzusetzen.

     

    2. Ratio des Wissensmanagements

    Wissen bestimmt die Kenntnisse und Fähigkeiten, die der Mensch zur Lösung von Problemen einsetzt. Es ist Produktionsfaktor und beeinflusst Effektivität und Effizienz wissensbasierter Arbeit, also Wirksamkeit, Qualität und Wirtschaftlichkeit.

    In den meist sehr differenzierten öffentlichen Organisationen geht es neben dem Wissen der Einzelnen vor allem auch um das von Gruppen und nicht zuletzt um das Wissen im Gesamtsystem. Gruppen wissen mehr als jeder Einzelne für sich und das im öffentlichen Bereich verfügbare Wissen ist wieder wesentlich mehr als das in einzelnen Institutionen.

    Die Ratio des Wissensmanagements besteht nun darin, den Mitarbeitern möglichst viel nutzbares Wissen schnell, gut und kostengünstig aufberei-tet bereit zu stellen und dabei auch das bei anderen Mitgliedern der Gruppe oder anderen Orts vorhandene Wissen sowie das Erfahrungswissen der Organisation verfügbar zu machen.

    3. Wissensmanagement öffentlicher Institutionen

    Wissensmanagement ist keine selbständige öffentliche Aufgabe sondern Ergänzungsfunktion bei der Wahrnehmung originärer Organisationsziele. Jede öffentliche Institution kann die Durchführung ihrer Aufgaben durch Wissensmanagement unterstützen. Das gilt für alle Staatsfunktionen (Regierung und Verwaltung, Gesetzgebung und Gerichtsbarkeit) und alle staatlichen Ebenen (Bund und Länder) sowie für die dort verorteten Aufgabenträger

    Im Bereich der Exekutive sind Träger des Wissensmanagements neben den Bundes- und Landesregierungen und den ihnen unmittelbar nachgeordneten Verwaltungen auch die mittelbare Staatsverwaltung, also die kommunale Ebene sowie die breite Palette der sonstigen Institutionen in Verfassungsräumen des Bundes und der Länder unabhängig von ihrer Rechtsform (öffentlich-rechtliche, privatrechtliche oder hybride Organisationsform).

    4. Organisationsspezifische und übergreifende Komponenten

    Den unterschiedlichen Aufgabenstellungen entsprechend differieren Gegenstand und Umfang eines zweckmäßigen Wissensmanagements bei den verschiedenen Staatsorganen. Es bestehen jedoch auch erhebliche Bereiche gleichartigen oder identischen Wissensbedarfs. So ist z.B. der Zugriff auf das geltende geschriebene Recht und seine Interpretation durch Gerichte und Wissenschaft nahezu für alle öffentlichen Einrichtun-gen von Relevanz. Der Überschneidungsbereich ist umso größer, je mehr die einzelnen Institutionen in Subsystemen verbunden sind. So besteht innerhalb eines Ressorts (Ministerium und nachgeordneter Bereich) eine große gemeinsame Schnittmenge des Wissensbedarfs. Wissensmanagement im öffentlichen Sektor ist folglich nicht effizient auf einzelne Institutionen eingrenzbar. Im Hinblick auf die Kohärenz öffentlicher Aufgaben und der hierarchischen Verflechtungen sollte die Organisation des Wissensmanagements deshalb systemübergreifende Komponenten aufweisen.

    5. Begrenzte Trennbarkeit von Steuerungs- und Vollzugswissen

    Wissen in öffentlichen Organisationen dient entweder der Sachbearbeitung oder der Systemsteuerung. Vollzugsinformationen und Steuerungsinformationen lassen sich aber nicht durchgängig trennen, sondern überschneiden sich. Leitungsfunktionen beziehen sich ja auch auf die Organisation der Vollzugstätigkeit und wichtige Einzelentscheidungen stehen nicht selten unter einem Leitungsvorbehalt. Es gibt also kein strikt zu unterscheidendes Wissen für die Vollzugsebenen sowie für mittlere oder obere Führungsebenen. Es gibt lediglich unterschiedliche Schwerpunkte sowie einen differenzierten Umfang des Wissensbedarfs. Wissensmanagement in öffentlichen Institutionen ist zwar an konkreten Aufgaben ausgerichtet, die es auszuführen gilt (Fachaufgaben und Querschnittsaufgaben), es lässt sich also thematisch bzw. fachlich segmentieren, es lässt sich aber nur in Grenzen funktionsorientiert ausgestalten.

    6. Interne und externe Quellen

    Wissen das die öffentlichen Institutionen ihren Mitarbeitern zur Verfügung stellen, kann intern oder extern generiert sein. Die Abgrenzung zwischen innen und außen ergibt sich dabei aus dem betrachteten Bereich. Man kann auf die einzelne Institution abstellen (z.B. auf eine bestimmte Behörde), auf Teilsysteme, die aus mehreren miteinander verbundenen Institutionen bestehen (z.B. Ressort, Landesverwaltung), oder auf den öffentlichen Bereich insgesamt, den man dann dem zweiten und dritten Sektor gegenüber stellt.

    Quellen internen Wissens sind formelle und informelle Informationen, insbesondere jedoch dokumentierte Arbeitsergebnisse und aufbereitete Erhebungen. Externes Wissen ergibt sich aus allgemein zugänglichen Quellen (z.B. Lexika, Verzeichnisse, amtliche Statistiken, veröffentlichte wissenschaftliche Ergebnisse, Fachbücher) oder es wird von anderen Personen oder Stellen aufgabenbezogen und bedarfsorientiert generell oder im Einzelfall bereitgestellt (z.B. fachliche Stellungnahmen im Rahmen von Entscheidungsprozessen).

    Aufgabe des Wissensmanagements ist es nun, diese unterschiedlichen Quellen beständig und systematisch zu erschließen und Informationen bzw. Wissen aufzubereiten, zu speichern und bedarfsorientiert bereit zu stellen.

    7. Neue Dimension durch Informationstechnik

    Wissensmanagement ist kein Thema, das zwingend mit der Entfaltung moderner Informationstechnik (IT) verbunden ist. Gut katalogisierte Bibliotheken oder funktionierende Registraturen und Archive haben auch bei konventioneller Arbeitsweise solche Funktionen erfüllt. So erweisen sich zum Beispiel "Grundakten", die in gut organisierten Verwaltungen für die einzelnen Aufgaben geführt und in die über die Zeit hinweg wichtige Dokumente aufgenommen werden, als langfristiges "Gedächtnis" und nützliche Informationsspeicher mit wieder verwendbaren Problemlösungen.

    Die IT vermag dem Wissensmanagement in Organisationen unter mehrfachen Aspekten allerdings neue Dimensionen zu geben. Bereits seit längerem können Datenbanken, herkömmliche Informationssysteme (z.B. Berichtssysteme, Führungsinformationssysteme, Geografische Informationssysteme), DMS-Systeme, Internet und Intranet neben ihrer Verwendung bei der Erledigung originärer Aufgaben auch mit der Zielrichtung des Wissensmanagements genutzt werden. Schon damit wurde das verfügbare Informationspotenzial deutlich vergrößert. Neuere ergänzende Tools (Data-Warehouses, Data-Marts, OnLine Analytical Processing - OLAP) erweitern zudem Reichweite und Nutzbarkeit. Die aktuelle Entwicklung geht nun dahin, auf der Grundlage von standardisierten Web-Technologien Plattformen zur Verfügung zu stellen, welche Daten aus verschiedenen Applikationen integrieren und in dynamischen Informationssystemen mit einfachen Ablage- und Zugriffsfunktionen bereit halten, die zudem noch die Fähigkeit besitzen, eigenständig neue Informationen zu generieren und von sich aus anzubieten (selbstlernende Verfahren).

    8. Wissensmanagement als Kernaufgabe der Organisationsgestaltung

    Die Entwicklung der Informationstechnik, die zunehmenden Verwendung von Computern an den Arbeitsplätzen, die interne und externe Vernetzung sowie die Verfügbarkeit von neuen informationstechnischen Werkzeugen haben die Möglichkeiten des Wissensmanagements in den Verwaltungen deutlich erweitert. Der Rückgriff auf konventionell nicht vorhandene oder nur schwierig erschließbare Quellen von Wissen sowie die schnelle Verfügbarkeit von Informationen am Arbeitsplatz gestatten deutlich effektivere und effizientere Arbeitsweisen. Wissensmanagement rückt damit vom Rand in das Zentrum der Organisationsgestaltung, es gehört heute zum Kernbereich der Querschnittsaufgaben (Dach- oder Intendanturaufgaben/ zentrale Aufgaben) in den Verwaltungen. Tatsächlich ist dieser Aufgabenbereich aber nur selten so ausgeformt, wie das erforderlich wäre. Vor allem wird Wissensmanagement zu wenig systematisch und nicht nachhaltig betrieben. Meist ist es nur eine Randfunktion im breiten Set der Organisationstätigkeit. Richtig ist es, Wissensmanagement als eigenen Arbeitsbereich (nicht notwendig als Basisorganisationseinheit) in den Geschäftsverteilungsplänen auszuweisen und durch eine angemessene personelle Ausstattung zu professionalisieren sowie durch IT konsequent zu unterstützen.

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