Wissensmanagement und demografischer Wandel

    Wissensmanagement im Pflegedienst

    12. Juni 2010 von Steffen Kosch

    Wissensmanagement im Bereich Pflege wird vermehrt zum Thema, weil sich die Klientel in den westeuropäischen Krankenhäusern verändert. Sie wird älter, ist gekennzeichnet durch eine Reihe chronischer Erkrankungen, die durch die medizinische Forschung immer später zum Tode führen; so entsteht eine stetig wachsende Gruppe multimorbider Patienten (vielfach kranke Patienten), die einer immer spezielleren Pflege bedarf. Bedingt durch die Fallpauschalenfinanzierung des Gesundheitswesens (DRG`s), die nun auch in der Schweiz eingeführt wird, und die Ausnutzung schmelzender Ressourcen müssen Wege gesucht werden, die diese Kosten senken. Da der Autor in der Schweiz lebt, bezieht er sich vor allem auf die dortigen Verhältnisse. Diese zahlenmässige Zunahme alter Menschen heisst auch immer, einen zunehmend höheren Bedarf an Plätzen in der Stationären Altenversorgung zu garantieren, die aber neben der Pflege auch geriatrische bzw. gerontologische Erwartungen erfüllen muss. Das Wissensmanagement hat nun den Auftrag, diesen Anforderungen Lösungen entgegenzusetzen, die neben einer korrekten Betreuung auch eine bezahlbare Pflege gewährleisten. Unterschiedliche Ausbildungsniveaus sollen dazu führen, dass unterschiedliche pflegerische Prozesse von Pflegepersonal mit unterschiedlicher Ausbildung getätigt werden. Abschliessend soll eine Abwägung erfolgen, die die Auswirkung auf die Pflege als Beruf und Arbeitsfeld darstellen.

    Dieser Beitrag wurde im Rahmen des Call for Papers für das Open Journal of Knowledge Management, Ausgabe I/2010 eingereicht.


    Einleitung

    Verfolgt man die Zahlen zur Alterspyramide europäischer Staaten, fällt schnell auf, wie schnell die Bevölkerung in Europa altert. Immer mehr alte und hochaltrige Menschen bevölkern unseren Erdteil, die zudem sehr krank sind. Gleichzeitig wird von der Medizin mit immer mehr Technik eine weitere Ausweitung des Lebensalters angestrebt – unabhängig von der erreichbaren Lebensqualität. Die Pflege hat den Auftrag, diese hohe und stetig steigende Anzahl alter (60-79 J.) und hochaltriger (80-102 J.)Menschen zu betreuen, bzw. ihre Betreuung zu ermöglichen. Bei immer knapper werdenden Ressourcen und sehr hohen Personalkosten in der Pflege wird der Hebel hier angesetzt. Der Bedarf an (oft kostenintensiver) Betreuung kollidiert mit der Verknappung von Ressourcen (CARIGIET / GROB, S.35). Zahlenmässig lässt sich diese Zunahme am Beispiel eines Krankenhauses mit Zentrumsfunktion nachweisen, dessen Zahlen anonymisiert vorgestellt werden dürfen:

    Jahr

    Anzahl Patienten
    Alter 60-79

    Verweildauer

    Anzahl Patienten
    Alter 80-102

    Verweildauer

    2007

    7.092

    9,1

    2.590

    9,9

    2008

    7.588

    9,0

    2.695

    9,6

    2009

    7.730

    9,4

    3.128

    9,7

    Pflegerische Tätigkeiten müssen nicht grundsätzlich von Pflegefachpersonal ausgeführt werden, ebenso können pflegefremde Tätigkeiten, so korrekt definiert, aus dem Pflegeprozess ausgegliedert werden. Bestimmte Pflegehandlungen müssen so spezialisiert ausgeführt werden, dass Pflegefachpersonal dafür herangezogen werden muss. Teilprozesse in der Pflege müssen entwickelt werden, dass zu jeder Berufsgruppe die entsprechenden Prozesse auf dem entsprechenden Niveau entwickelt werden. Ziel muss sein, dass alle Prozesse – von der Getränkeversorgung bis zur komplexen Pflegeplanung bei multimorbiden Patienten - von der entsprechenden Berufsgruppe ausgeführt wird. Dazu muss sowohl die Handlungsbreite als auch die Handlungstiefe festgelegt werden. Da der Autor in der Schweiz lebt und die deutschen Verhältnisse nur marginal kennt, beziehe ich mich vor allem auf die Schweizer Verhältnisse, komme aber auf die deutsche Organisation zurück, wenn es der Rahmen zulässt.

    Beginnen wir nun auf der untersten Ebene dieser Berufe.

    Die Pflegehilfen /Pflegeassistenten.

    Sie werden meist aus bildungsfernen Schichten rekrutiert, da zu den Tätigkeiten keinerlei Vorwissen notwendig ist. Der Unterschied zwischen beiden ist, dass der Pflegeassistent eine einjährige Ausbildung genossen hat, die aber lediglich zu pflegerischen Hilfstätigkeiten befähigt und nur im Bereich Hauswirtschaft selbständig arbeitet. Einfache Abläufe aus dem Bereich Hauswirtschaft und Logistik sowie die gelegentliche Mithilfe bei grundpflegerischen Tätigkeiten (Körperpflege, Essen eingeben bei nicht schluckgestörten Patienten) sowie die Unterstützung bei administrativen Abläufen gehören dazu. Mehr und mehr gehören aber auch EDV – Anwenderkenntnisse zu diesen Tätigkeiten, so zum Beispiel die Essenbestellung (bei komplexen Patienten mit Spezialdiäten ist dies Aufgabe einer Pflegefachfrau (D: Gesundheits- und Krankenpflegerin)) mit einem Essenbestellsystem. Hierzu sind Schulungen im Umgang mit Hardware und Software notwendig. Ebenso gehört dazu auch der Umgang mit Bestellsystemen für Lager und Apotheke, wobei auch hier wieder Einschränkungen zu beachten sind. Insbesondere bei medizinischen Verbrauchsmaterialien und Medikamenten, die dem Bereich des Betäubungsmittelgesetzes („Drogen“) unterliegen oder aber zytostatische Wirkungen (vulgo: Chemotherapie, das Zellwachstum beeinträchtigende Medikamente) haben.

    Ausgebaut werden können diese Mitarbeiter dahingehend, dass sie für die Pflege weitgehend selbständiger oder nur wenig beeinträchtigter Patienten ausgebildet werden, durch aktenkundige oder mit hausinternen Zertifikaten belegte Schulungen durch Pflegeexperten oder Pflegepädagogen. Hier kämen folgende Tätigkeiten in Frage: Körperpflege, Mithilfe bei der Ausscheidung, Mobilisation, Essen und Trinken. Die Pflegehilfen können hier anleitend oder ausführend tätig sein. Jedoch müssen sie in der Lage sein, akute Verschlechterungen des Zustandes (Kreislauf, Hautveränderungen, Bewusstseinsveränderungen) zu beobachten und unverzüglich korrekt zu melden. Ausgeschlossen von dieser Form der Versorgung sind Patienten, die sich verbal nicht äussern können, bewusstseinsgestört sind oder komplexe Vorschädigungen haben. Hier besteht das Risiko einer Falschbehandlung in grösserem Umfang, die zu einer weiteren Verschlechterung des Gesamtzustandes führen kann. Von vornherein hat der Leiter der Einrichtung den Auftrag, die optimale Patientensicherheit (das Paradigma der Pflege schlechthin) zu gewährleisten. Pflegehilfen / Pflegeassistenten dürfen nur entsprechend ihrem Wissens – und Ausbildungsstand eingesetzt werden, was bedeutet, dass weitergehende Aufträge nur mit Wissensnachweis stattfinden dürfen.

    Wissensmanagement erhält hier einen wesentlichen Status: können befähigte Mitarbeiter sich im Assistenzbereich weiterbilden, entlasten sie deutlich die höher stehenden Pflegeberufe, was zur Kostensenkung über den Personaleinsatz führt. So können grundpflegerische Arbeiten durchaus komplett von diesen Kollegen übernommen werden, wenn sie angeleitet sind, bestimmte Krankheitsbilder zu erkennen und auf spezielle Symptome einzugehen. Zu denken ist dabei an Schlaganfallpatienten (eine klassische Erkrankung alter und hochaltriger Patienten) mit bleibenden Lähmungen (Hemiplegien), deren Pflege anspruchsvoll ist und Kenntnisse im Umgang mit der Symptomatik erfordert. Bei zunehmender Zahl von Patienten, die einen Schlaganfall überleben, eine Option, die sogar den Skill- und Grade-Mix in der Pflege beeinflussen könnte.

    Die Fachfrau Gesundheit / der Fachmann Gesundheit (FaGe),

    Im Zuge der Neuordnung der Berufsfelder im Gesundheitswesen – auch und vor allem im Zusammenhang mit dem demografischen Wandel – wurden Gesundheitsberufe kreiert, in diesem Falle auf Facharbeiterniveau, die die Pflegefachkräfte in ihren Aufgaben unterstützen. Ihr Wirkungsbereich ist sehr breit gefächert und der Beruf selbst hat insbesondere im Bereich Geriatrie grosse Akzeptanz. Auch in Deutschland existiert dieses Berufsfeld mittlerweile, auf gleicher oder ähnlicher Stufe sind Praxisassistentinnen oder Altenpfleger bzw. Heilerziehungspfleger angesiedelt. Die folgenden Ausführungen basieren auf dem „Zielekatalog der ODA – OSAG“.

    Ihre Aufgaben bestehen in der direkten und selbst verantworteten Pflege von Patienten. Allein die Planung der Pflege und die Betreuung komplexer oder aus medizinischer Sicht sehr aufwändiger Patienten stehen den Pflegefachkräften zu. Die FaGe sind somit eher ausführendes Organ. Im vierstufigen Pflegeprozess (Diagnostik – Planung - Durchführung – Evaluation)verantworten sie also den dritten Teil des Pflegeprozesses und nehmen daraus folgend an der Evaluation teil.

    Bezüglich des weiteren Wissenserwerbs steht folgendes an: EDV–Anwendungen sind zu erlernen, bspw. die Leistungserfassung in der Pflege (LEP) sowie der Umgang mit elektronischen Patientendossiers (EPDos). Des Weiteren kommen pflegetechnische Konzepte dazu, wie Kinästhetik oder Bobath (ein Konzept aus der Physiotherapie) sowie die Mitarbeit an hausinternen Konzepten (bspw. 24-Stunden-Pflegekonzepte in der Neurologie etc.).

    Auf die FaGe`s kommen Kernprozesse der Pflege zu, die von der Pflegefachkraft an die FaGe delegiert werden. Dieses sind unter anderem: die Körperpflege, die Mobilisation, die Betreuung stabiler (kreislauf-, bewusstseinsstabil, hohe Selbstpflegekompetenz) Patienten. Sie ist für die Abwicklung und weitestgehende Durchführung aller 12 „Aktivitäten des täglichen Lebens“ (ATL`s) zuständig (ROOPER/LOGAN/THIERNEY, S.20). Hierbei gilt es, dass Kontinuum von der Krankheit zur Gesundheit aufrecht zu erhalten, was eine gesundheitsfördernde Pflege erfordert. Dieses bedarf die genaue Kenntnis des Konzepts der ATL`s und des Wissens zur Praxisumsetzung. Nach BÜSSING / GLASER sind es vor allem „ereignis – und situationsabhängige Arbeiten“ (BÜSSING /GLASER, S.151), deren Komplexität die Fachkenntnisse einer FaGe gelegentlich überschreiten können. Deswegen muss hier mit einem strategisch arbeitenden Wissensmanagement Bildungsarbeit betrieben werden, welche vor allem Kompetenzausbau im praktischen Bereich zur Folge hat. Grundlage dafür muss aufbereitetes pflegetheoretisches Wissen sein, das sich mit dem Arbeitsalltag vernetzen lässt.

    Hinzu könnten weiterhin kommen: Diabetesmanagement, dass heisst die Betreuung, Schulung und Überwachung zuckerkranker Patienten. Im Altenpflegesektor kommt auch die Faktensammlung dazu, dass heisst die Datensammlung für gerontologische Instrumente (bspw. Validation nach Naomi Feil – Pflege alter und hochaltriger Menschen u.a. gemäss ihrer Biographie und Lebensumwelt unter Erhaltung ihrer Würde). Dies bedarf Kenntnisse aus dem gerontopsychiatrischem (Alterspsychiatrie) Bereich, die mit der Praxis vernetzt werden müssen, um eine angepasste Pflege zu gewährleisten.

    In der CH ist der Beruf schon auf in Deutschland immer noch ärztliche Tätigkeiten ausgeweitet: Blutentnahmen, Legen von Verweilkanülen etc. werden in der CH bereits von Pflegefachkräften bzw. neu auch von FaGe`s gemacht, in Deutschland ist dies noch nicht überall so, bedarf sogar bestimmter gesetzlicher Regelungen. Alles in allem wird die FaGe viele Aufgaben übernehmen müssen, da die Pflegefachkraft vor allem Pflege plant, komplexe Patienten betreut und für die gesamte Dokumentation zuständig ist.

    Vergleicht man den Tätigkeitskatalog der FaGe (ODA Santé) mit dem der Pflegefachkraft (ebd.) wird deutlich, dass die FaGe vor allem mit der praktischen Durchführung von Pflegemassnahmen betraut, daher auch im theoretischen Bereich eher Breitenwissen hat. Im praktischen Bereich arbeitend, ist sie im Tandem einsetzbar (zur Betreuung eines Patientenkollektivs mit einer Pflegefachkraft). Erreicht werden somit die Bündelung von Synergien: das praktische Wissen der FaGe wird mit dem theoretischen Wissen der Pflegefachkraft vernetzt. In der Altenbetreuung, wo aus Kostengründen der FaGe- Anteil sehr hoch ist, werden solche Synergien weit mehr genutzt als im Krankenhausbereich.

    Die Pflegefachfrau / der Pflegefachmann

    Dieser, mittlerweile in der Tertialisierung angekommene Beruf – in der CH werden bereits Pflegefachfrauen mit dem Bachelor – Grad ausgebildet - hat einen ungeheuren Zuwachs an Wissen erhalten. Nicht nur werden medizinische Grundlagen auf Universitätsniveau vermittelt, es wird auch pflegewissenschaftliches Wissen auf dieser Ebene vermittelt. Das führt dazu, dass bereits Berufseinsteiger mit einem breiten Wissensfundus ihre Laufbahn beginnen. Für das Wissensmanagement bedeutet dies, dass schneller vermehrt spezialisiertes Wissen vermittelt werden kann. Bezüglich der Erfassung und Lösung der Probleme des demografischen Wandels bedeutet dies, dass Antworten auf gesundheitsökonomische und ethische Fragestellungen gefunden werden müssen. Dazu muss geriatrisches Fachwissen vertieft werden, um korrekt auf Patientenbedürfnisse aber auch auf die Erwartungen der Gesellschaft reagieren zu können. Letztere bewegen sich in einem Kontinuum zwischen Lebensverlängerung und einem würdigen Tod, wenn die Lebensqualität eine Teilnahme am Leben im eigenen Umfeld nicht mehr zulässt. Die Pflegefachfrau hat neben dem Erwerb von spezialisiertem Wissen in der Gerontologie / Geriatrie auch die Aufgabe, den Paradigmenwechsel in der Altenbetreuung mit zu tragen. Es geht nicht mehr nur um Betreuung, sondern auch um Aktivierung der Klienten und weitestgehender Erhaltung der Selbständigkeit, wie die vielen Pflegeheime mit Dementen- Betreuung zeigen (Demenz –Abteilungen mit spezieller Architektur und Ausstattung sowie Senioren –WG`s). Der frühere Charakter des „Altersheims“, der einfachen Betreuung bis zum Tod, weicht dem der aktivierenden Betreuung und einem Altern in weitgehender Selbständigkeit. Wobei Selbständigkeit hier bedeutet, in den ATL`s weitgehend unabhängig zu sein.

    Aus den Daten, die als Pflegediagnose erhoben werden, wird die Pflege geplant. Planung heisst konkret, zu jeder ATL, in der der Patient nicht selbständig ist, eine entsprechende Hilfsmassnahme zu planen, wobei Expertenstandards (s.u.) zum festen Bestandteil werden müssen. Dieser Teil des vierstufigen Pflegeprozesses wird in Zukunft noch wichtiger sein, ob der Tatsache, dass die Planung den Pflegefachkräften vorbehalten bleibt und die Pflegehandlungen für die anzuleitenden Hilfskräfte und FaGe`s mit geplant werden muss. Und dies wird vor allem eines heissen: neben ausreichendem Wissen zu einer erfolgreichen Pflege müssen auch ausreichende pädagogische und manageriale Fähigkeiten vorhanden sein, um eine erfolgreiche Wissensvermittlung zu gewährleisten. Neben der Verantwortung für die Pflege, die die Pflege teilweise an die FaGe`s abgibt, müssen die beigeordneten Pflegekräfte in der Lage sein, alle Pflegeverrichtungen alleine und nach den Richtlinien des Hauses auszuführen, dienstrechtlich ist das eine Delegation. Dies bedarf einer perfekten Schulung und einer messbar durchgeführten Evaluation der Pflegeergebnisse. Die durchaus interessante Frage nach einer messbaren Pflege soll hier nicht weiter erörtert werden, weil es nicht zum Thema gehört.

    Der demographische Wandel und das Pflegewissen

    Der demographische Wandel ist in der Pflege eine feste Grösse, die auch das Berufsbild verändern wird. Die medizinische Randdisziplin der Geriatrie, die stationäre Altenbetreuung und die Pflege von alten und hochaltrigen Patienten werden dem Gesundheitswesen noch viele Ressourcen abverlangen, was bedeutet, dass die Pflege zur Effizienzsteigerung vor allem Wissen generieren muss, mit dem diese erreicht werden kann.

    Drei wichtige Schritte dahin schlage ich daher vor:

    1. Die Krankenhäuser müssen gemäss ihrem Case Mix (Zusammensetzung des Patientenkollektivs nach Indikationen) den Skill- und- Grade – Mix flexibel festlegen können – jedes Patientenkollektiv hat so die richtige Zusammensetzung an Personal (und damit das ausreichende Wissen) für eine angemessene und kostengünstige Pflege. In allen Fachrichtungen der Pflege und der Medizin muss gerontologisches Wissen strukturiert weitergegeben werden.
    2. Die aufzubauende Aus-, Fort- und Weiterbildung nach Modulbausteinen muss dazu führen, dass in jedem Kollektiv an Pflegenden auf jeder Stufe das höchste Mass an Wissen vorhanden ist. Dem Pflegewissen, welches den demographischen Wandel zum Inhalt hat, muss in der Vermittlung Priorität eingeräumt werden. Das Weiterbildungsverhalten muss vermehrt lohnrelevant werden.
    3. Die (Pflege-)Versicherer müssen sich an der Bildung von Pflegekräften beteiligen. Eine Kostendämpfung, notwendiger und besser wäre allerdings eine Leistungsdämpfung, kommt nur zu Stande, wenn die mit den Klienten arbeitenden Pflegefachkräfte einen höheren Wissenshintergrund haben und sicheren Wissens unnötige Leistungen sistieren bzw. Behandlungsfehler verhindern, was logisch zu einer Verringerung des Pflegeaufwandes und des Personalbedarfs führt.

    Pflegewissen im Bereich der Altenbetreuung kann aber noch mehr: Am Beispiel von Medikamentenwirkungen soll dargestellt werden, wie sich die Pflege am Aufbau eines Wissensfundus in der Pharmakologie beteiligen kann: So weisen immer mehr Geriater darauf hin, dass viele, vor allem altersspezifische Medikamente, gar nicht an der Zielgruppe der Senioren erprobt sind, die Probanden seien häufig jünger (PHARMAZEUTISCHE ZEITUNG). Die Pflege kann dazu beitragen, die Datenlage zu verbessern, indem Medikamentenwirkungen an Hand üblicher Instrumente (Vitalzeichenkontrollen, Glasgow – Coma – Scale etc.pp) überprüft werden, daraus folgend auch Behandlungsfehler minimiert und Kosten durch Fehlmedikationen gesenkt werden können.

    Die Pflegewissenschaft selbst entwickelt sich immer weiter zu einer Evidenzbasierung hin, was bedeutet, dass nur noch wissenschaftlich entwickelte Pflege am Patienten zum Einsatz kommt. Dies bedeutet nicht nur, dass qualitativ hochwertige Pflege geliefert wird, sondern dass vor allem jeder Patient die Pflege bekommt, die er benötigt – nicht mehr aber auch nicht weniger. Ein installiertes Wissensmanagement kann auch hier darauf achten, das bei der Erhebung von Daten und deren Anwendung in Expertenstandards insbesondere der Altersmedizin und – pflege gedacht wird. Sehr gute Ansätze für den Einsatz in der Altenpflege sind die Expertenstandards Dekubitus (Wundliegen), Sturzprophylaxe, Schmerzmanagement und der im Aufbau befindliche Expertenstandard Demenz. Dieses Expertenwissen zu managen heisst, seine praktische Anwendung mit Erfahrungswissen zu unterlegen, um seine Anwendbarkeit vor Ort am Patienten zu gewährleisten.

    Auswirkungen aufs Berufsbild

    Die Auswirkungen aufs Berufsbild sind vielfältig und hier nur anzureissen. Zum einen muss Fachwissen aus der Altenbetreuung und der Geriatrie in allen anderen Fachbereichen installiert werden. Die Pflege muss sich auf diese Anforderungen einlassen: mehr älteres Patientengut, das nicht nur eine einzige Krankheit hat („Multimorbidität“) und auch so gepflegt werden will, bezüglich der Entwicklung des Berufs wird es wieder geteilte Aufgabenbereiche geben. Die Grundpflege und einfachere Teile der Behandlungspflege werden vermehrt Aufgaben des Hilfspersonals, die Konzepttätigkeit und der speziellere Teil der Behandlungspflege werden Aufgaben der Pflegefachkraft sein. Nähern wir uns wieder Zeiten der Funktionspflege (geteilte Aufgabenbereiche im Arbeitsalltag: „Verbandsschwester“, „Blutdruckschwester“, „Waschschwester“), die wir lange abgeschafft glaubten? – diese Frage wird aktueller den je, wird der Trend durch das Primary Nursing oder durch die Bezugspersonenpflege noch verschärft (bei beiden Formen handelt es sich um Modelle, wo der Patient für seinen Aufenthalt im Krankenhaus eine Pflegefachkraft zugeteilt erhält, eine Bezugsperson). Die Bezugspflegende wird dann vor allem Konzepttätigkeit (Planung der Pflege, Teile des Fallmanagements) ausüben, die FaGe`s dann die Arbeit am Patienten (Körperpflege, Medikamentenprozess, Krankenbeobachtung) vornehmen. Ein präsentes Wissensmanagement muss verhindern, dass uns die Ganzheitlichkeit des Pflegeberufs verloren geht, indem in Wissensforen Pflegewissen für alle aufbereitet und zur Anwendung bereithält. Zu verhindern wäre mit einem breitbasig angelegten Wissensfundus für alle Beschäftigten einer Organisation ein „Kompetenzgerangel“. So sind über das Pflegewissen notwendigerweise Strukturen zu schaffen, die neben klaren Anforderungen an Pflegewissen für den Pflegealltag auch planmässig Spezialisten fördern und so den Patienten und der Gesellschaft zu Gute kommen!


    Slogan einer Schweizer Gesundheitsversicherung:

    Alle wollen es werden – keiner will es sein: ALT!



    Literaturverzeichnis:

    BÜSSING,A. / GLASER, J. (2003): Dienstleistungsqualität und Qualität des Arbeitslebens im Krankenhaus.1. Auflage, Göttingen, Bern, Toronto, Seattle: Hogrefe

    CARIGIET, E. / GROB,D. (2003): Der alte Mensch im Spital – Altermedizin im Brennpunkt., 1. Auflage, Zürich: Gesundheits- und Umweltdepartement

    ODA- Santè Aargau: Zielkataloge für die Ausbildung zur Fachfrau/ zum Fachmann Gesundheitswesen bzw. Zielkatalog für die /den Diplomierte/n PFLEGEFACHFRAU / PFLEGEFACHMANN HF

    ROPER,N. /LOGAN, W./TIERNEY, A.J. (2002) : Das ROPER-LOGAN-TIERNEY-Modell.1.Auflage, Bern, Göttingen, Toronto, Seattle: Hans Huber

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