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Systematischer Wissenstransfer – eine betriebliche Notwendigkeit
18. März 2013 von Dr. Angelika MittelmannHerr W. klagt seiner Kollegin beim Mittagstisch, dass die Planungsarbeiten für sein neues Projekt an einem Punkt angelangt sind, wo er nicht mehr weiterkommt. Frau K., eine erfahrene Projektleiterin, hört aufmerksam zu und stellt einige Zusatzfragen, um sich einen Überblick über seinen derzeitigen Stand zu verschaffen. Dann schlägt sie ihm eine Vorgangsweise vor, die sie bereits in ihren eigenen Projekten mehrfach erfolgreich angewendet hat. Außerdem bietet sie Herrn W. an, dass sie ihm eine Spreadsheet-Vorlage schickt, in der diese Vorgehensweise gebrauchsfertig formalisiert ist. Er nimmt das Angebot dankend an. Sie beenden ihre Mahlzeit und gehen ihrer Wege. Als Herr W. nach seiner Nachmittagsbesprechung in sein Büro kommt, findet er in seinem E-Mail-Eingangsordner das versprochene Spreadsheet von Frau K.. Er erinnert sich an das Gespräch beim Mittagessen und erledigt nun seine Planungen rasch und sicher.
Der Beitrag ist zuerst in den gfwm-Themen Ausg. 1, 12/2011 erschienen.
Solche oder ähnliche Situationen spielen sich zu tausenden tagtäglich in Unternehmen ab. Es handelt sich dabei um einen spontanen, also nicht geplanten Wissenstransfer. Er findet unbewusst überall dort statt, wo Menschen miteinander kooperieren. Der zufällige Charakter dieses Prozessablaufs bedingt, dass nicht sichergestellt werden kann, dass und welches Wissen übertragen wird. Diese Situation ist für Unternehmen untragbar, die Wettbewerbsvorteile aus der gesteuerten Bewirtschaftung der Ressource Wissen ziehen wollen. Es stellt sich daher die Frage, wie dieser Prozess systematischer implementiert werden kann und was es dabei alles zu beachten gilt, ohne allerdings den spontanen Wissenstransfer zu behindern.
Frau K. in der obigen Szene ist sich nicht bewusst, dass sie wichtiges Erfahrungswissen besitzt, das sie sogar bereits für eine mögliche Wiederverwendung in ihrem Spreadsheet „verpackt“ hat. Damit dieses Wissen für die Organisation nicht verloren geht, müsste sie die Beschreibung ihrer Vorgehensweise samt Spreadsheet an einem Ort ablegen, wo es möglichst viele Personen, die es benötigen, finden können. Außerdem könnte sie bei einem Erfahrungsaustauschtreffen von Projektleitern darüber berichten.
Beide beschriebenen Varianten können Elemente eines systematischen Wissenstransfers sein. Um diesen spontanen Wissenstransfer mit einer systematischen Variante zu ergänzen, ist es notwendig den gesamten Prozess mit seinen Rahmenbedingungen und Erfordernissen gut zu verstehen. Im Folgenden wird der Wissenstransferprozess beschrieben mit dem Ziel praktische Hinweise für seine Implementierung in Organisationen zu geben.
Der systematische Wissenstransferprozess
Beim bewussten, systematischen Wissenstransfer (siehe Abbildung 1) lassen sich idealtypisch die nachfolgend beschriebenen Teilschritte unterscheiden. Die Schrittfolge ist nicht sequentiell zu verstehen, sondern verläuft zyklisch, d.h. die Ergebnisse von Schritt 6 fließen nach dem erstmaligen Durchlauf wieder in Schritt 1 ein. Die Schritte 1 bis 6 werden meist jährlich einmal durchlaufen, um rechtzeitig Änderungen in der Organisation und in dessen Umfeld in den organisationalen Wissenstransferprozess einbeziehen zu können. Die Schritte 3 bis 5 (Wissensaufbereitung, -kommunikation bis -anwendung) können beliebig oft zyklisch wiederholt werden. Sie stellen eine organisationale Lernschleife dar, die hin und wieder durch den Schritt 6 (Prozessreflexion) ergänzt wird, um den Lernprozess an sich zu verbessern.
Abbildung 1: Prozessschritte des systematischen Wissenstransfers
1. (Re-)Definition der strategischen Wissensgebiete:
Das Top-Management definiert ausgehend von der Unternehmensstrategie die strategischen Wissensgebiete. Bei weiteren Durchläufen des Prozesszyklus werden sie bei Bedarf redefiniert. Zur besseren Illustration werden sie in einem Portfolio (siehe Abbildung 2 nach Hofer-Alfeis 2008, S. 47) dargestellt. Es ist darauf zu achten, dass die Organisation dabei ganzheitlich betrachtet wird. Ein Produktionsunternehmen wäre z.B. schlecht beraten, nur die produktionsnahen Wissensgebiete in sein Portfolio aufzunehmen. Ein erfolgreich tätiges Unternehmen benötigt in der gesamten Prozesskette Wissensträger, die ihren Geschäftsprozess im Detail verstehen und ihr Wissen konsequent an andere, weniger erfahrene Mitarbeiter weitergeben. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Organisation durchgängig wissensbasiert und effizient arbeitet.
Da bei größeren Unternehmen jede Organisationseinheit ihre spezifische Aufgabe hat, verfeinert jede Führungskraft dieses Portfolio für ihre eigene Organisationseinheit. Wenn eine Organisationseinheit die Expertise für bestimmte Wissensgebiete hat, können diese weiter in das rechte obere Viertel rücken als im unternehmensweiten Portfolio.
In der Abbildung 2 sieht man beispielhaft die Verteilung von fünf strategischen, hier nicht näher benannten Wissensgebieten im unternehmensweiten Portfolio. Die Wissensgebiete 1 und 2 im rechten oberen Viertel haben sowohl derzeit als auch zukünftig hohe strategische Bedeutung für das betreffende Unternehmen und werden daher sehr sorgfältig gepflegt. Die strategische Bedeutung des Wissensgebiets 3 im linken oberen Viertel wird in Zukunft zunehmen, daher steht es unter besonderer Beobachtung. Die Wissensgebiete 4 und insbesondere 5 in den unteren beiden Feldern sind von mittlerer derzeitiger und zukünftiger Bedeutung, sie werden daher standardmäßig behandelt.
Abbildung 2: Portfolio strategischer Wissensgebiete
Im Unternehmen von Frau K. wird „Projektmanagement“ (Wissensgebiet 1 in Abbildung 2) als ein Wissensgebiet mit derzeitiger und zukünftiger hoher strategischer Bedeutung definiert.
2. Identifikation der Wissensträger:
Auch bei diesem Schritt spielt das Management eine wichtige Rolle. Die Führungskräfte sind gefordert die Wissensträger je strategischem Wissensgebiet zu identifizieren. Meist wissen sie sehr genau, welche Mitarbeiter hier in Frage kommen. Unterstützend können sie sich fragen oder ihre Mitarbeiter interviewen (lassen), wer in der Organisationseinheit häufig zu dem betreffenden Wissensgebiet kontaktiert wird, um zu „guten“ Antworten zu kommen.
Frau K. wird von ihrer Führungskraft als Wissensträgerin für das Wissensgebiet „Projektmanagement“ identifiziert.
3. Wissensaufbereitung:
In diesem Schritt geht es darum, das Wissen des strategischen Wissensgebiets in verdaubare Happen und in möglichst verständlicher Form aufzubereiten. Verdaubar bedeutet, dass das Wissen in kleine Einheiten zerlegt wird, von denen jedes ein in sich geschlossenes Ganzes bildet. Die Verständlichkeit wird unterstützt durch die Verwendung passender Medien. Das zugehörige Erfahrungswissen wird durch geeignete Methoden (siehe z. B. Narrativer Wissenstransfer - S. 84, Manöverkritiksitzung - S. 68, Lessons Learned Prozess - S. 74: alle in Mittelmann 2011) gehoben und in Form von Erfahrungsgeschichten, Empfehlungen, Vorlagen oder Checklisten den Wissenseinheiten hinzugefügt.
Frau K. orientiert sich bei der Zerlegung „ihres“ Wissensgebiets an den Phasen des Projektmanagements und ergänzt ihr umfangreiches Erfahrungswissen in Form von Erfahrungsgeschichten und Vorlagen. Sie arbeitet an der Aufbereitung gemeinsam mit drei weiteren Wissensträgern für Projektmanagement. Weiterbildungsexperten unterstützen die Gruppe der Wissensträger bei der Aufbereitung der Wissenseinheiten.
4. Wissenskommunikation:
Die erstellten Wissenseinheiten werden nach einer letzten Qualitätskontrolle durch die Wissensträger im Intranet des Unternehmens veröffentlicht. Sie können entweder über Eingabe des betreffenden Wissensgebiets oder dem zugehörigen Geschäftsprozess gefunden werden.
Außerdem identifizieren die Führungskräfte in enger Zusammenarbeit mit dem Personalmanagement die passenden Empfänger (= Wissensnehmer) für die erstellten Wissenseinheiten. Diese Gruppe umfasst jene Personen, deren Kompetenzen in dem Wissensgebiet ausgebaut werden sollen, damit sie ihre Aufgaben noch besser bewältigen oder neue Aufgaben übernehmen können.
Die Wissensträger geben ihr Wissen dieser Personengruppe auch in mündlicher Form z. B. in Wissensmeetings (siehe Mittelmann 2011, S. 104) oder Lerntagen (siehe Mittelmann 2011, S. 112) weiter. Durch die Kombination von schriftlicher und mündlicher Kommunikation wird ein möglichst optimaler Transfer erreicht.
Frau K. erklärt Herrn W. ihre Vorgehensweise anhand einiger Beispiele (mündliche Kommunikation) und stellt ihm danach die Spreadsheet-Vorlage (schriftliche Kommunikation) zur Verfügung.
5. Wissensanwendung:
Wichtig in diesem Schritt ist, dass die Wissensnehmer das kommunizierte Wissen auch tatsächlich im Arbeitsalltag immer wieder anwenden, um Sicherheit zu gewinnen und eigene Erfahrungen zu machen. Dies wird leichter erreicht, wenn die Wissensnehmer nicht allein gelassen werden, sondern bei den Wissensträgern im Bedarfsfall nachfragen können. Bei komplexen Wissensgebieten kann es auch sinnvoll sein, dass die Wissensträger als Mentoren fungieren und die Wissensnehmer über einen etwas längeren Zeitraum bei ihrem Lernprozess begleiten (siehe Mentoring in Mittelmann 2011, S. 45).
Frau K. stellt sich Herrn W. und zwei weiteren Projektmanagement-Neulingen als Mentorin zur Verfügung. Sie trifft sich mit ihnen in regelmäßigen Abständen und geht deren Fragen durch. Sie verweist auch immer wieder auf Details in den bereitgestellten Wissenseinheiten.
6. Prozessreflexion:
Das Top-Management reflektiert in ihren Strategiegesprächen, ob die strategischen Wissensgebiete nach wie vor passend sind oder ob aufgrund geänderter Umweltbedingungen (siehe Abbildung 3) neue Wissensgebiete hinzugefügt oder bestehende entfernt werden müssen. Die Führungskräfte betrachten kritisch die Kompetenzentwicklung ihrer Mitarbeiter insbesondere in den strategischen Wissensgebieten, um den Erfolg des systematischen Wissenstransfers einzuschätzen und gegebenenfalls steuernd einzugreifen. Zumindest einmal jährlich überprüfen die Wissensträger, ob die veröffentlichten Wissenseinheiten noch aktuell sind. Sie initiieren Änderungen, wenn es wichtige neue Erkenntnisse in dem Wissensgebiet gibt.
Die Geschäftsführung im Unternehmen von Frau K. kommt in ihrem jährlichen Strategiegespräch zur Erkenntnis, dass das Wissensgebiet Projektmanagement nach wie vor dieselbe strategische Position im Portfolio hat wie im abgelaufenen Jahr. Die Führungskräfte schätzen - auf Basis der Ergebnisse aus den Mitarbeitergesprächen - die Kompetenzentwicklung aller Mitarbeiter im Wissensgebiet Projektmanagement ein. Da die Entwicklung wie geplant erfolgt ist, besteht kein unmittelbarer Handlungsbedarf in diesem Wissensgebiet. Frau K. überprüft gemeinsam im Team der Projektmanagement-Wissensträger, ob die bereitgestellten Wissenseinheiten nach wie vor aktuell sind. Sie diskutieren ihre gewonnenen Erkenntnisse im abgelaufenen Jahr und die Rückmeldungen der Benutzer zu den Wissenseinheiten. Danach entscheiden sie, welche Inhalte geändert oder angepasst und welche neuen hinzugefügt werden sollen.
Der Prozessablauf ist idealtypisch dargestellt und muss bei der Implementierung an die Gegebenheiten in der jeweiligen Organisation angepasst werden.
Kritische Erfolgsfaktoren und Hinweise für eine erfolgreiche Implementierung
Ein Unternehmen kann als ein Mensch-Aufgabe-Technik-System aufgefasst werden, dessen Basis seine Unternehmenskultur ist (siehe Abbildung 3). Das Gesamtsystem wird von seinen Umwelten beeinflusst, die es ausbalancieren muss, um im Gleichgewicht und damit überlebensfähig zu bleiben. Die Implementierung eines neuen Prozesses erfordert es, dass alle Systemelemente in ausgewogener Weise berücksichtigt werden. Die nachfolgend beschriebenen Voraussetzungen und Rahmenbedingungen sind diesen Systemelementen zugeordnet.
Abbildung 3: Unternehmen als Mensch-Aufgabe-Technik-System
Unternehmenskultur
Eine wesentliche Voraussetzung für die Implementierung ist, dass die Ressource Wissen für das Unternehmen einen Wert darstellt, also im Wertesystem der Organisation ihren festen Platz hat. Wissen ist bekanntermaßen immer an die Person, den Wissensträger gebunden. In der Unternehmenskultur muss daher auch verankert sein, dass das Wissen unabhängig von der Stellung der Person in der Organisation gleich wertgeschätzt wird. Es darf keinen Unterschied machen, ob der Wissensträger ein Mitarbeiter an der Basis oder der Geschäftsführer ist.
Eine Entwicklung der Unternehmenskultur in die oben beschriebene Richtung kann nur vom Top-Management initiiert werden und muss im Führungssystem der Organisation ihren Niederschlag finden. Am besten gelingt dies, wenn diese Aspekte in der Führungskräfteentwicklung des Unternehmens Eingang finden. Das ist ein langwieriger, aber ein nachhaltiger Weg mit einer hohen Erfolgswahrscheinlichkeit.
Mensch
Bei Mitarbeitern aller Hierarchieebenen muss als wichtigste Voraussetzung die Kompetenz „Wissensorientierung“ konsequent weiterentwickelt werden. Dies beginnt beim Sich-Bewusstwerden des eigenen Wissens und setzt sich fort in der Verstärkung wissensorientierter Fähigkeiten bis hin zu aktivem wissensorientierten Verhalten (siehe Lembke 2007). In Abbildung 4 ist beispielhaft eine dreistufige Beschreibung der Kompetenz „Wissensorientierung“ dargestellt.
Abbildung 4: Beispiel einer dreistufigen Beschreibung der Kompetenz „Wissensorientierung“
Im jährlichen wissensorientierten Mitarbeitergespräch (siehe Mittelmann 2011, S. 62) überprüfen Mitarbeiter und Führungskraft u.a. gemeinsam, wie weit die Entwicklung der Kompetenz „Wissensorientierung“ gediehen ist. Bei Bedarf vereinbaren sie Maßnahmen zur Weiterentwicklung dieser Fähigkeiten und Fertigkeiten.
Aufgabe
Hier geht es - neben der Prozessbeschreibung und -implementierung - vor allem um die Definition, Einführung und Erweiterung der Rollen, die für den systematischen Wissenstransfer erforderlich sind. In der Abbildung 5 sind die wichtigsten Rollen im Wissenstransferprozess in Form von orangen Ovalen dargestellt.
Die Rollen Topmanager, Manager und Personalmanager werden um die Aufgaben erweitert, die speziell der Wissenstransferprozess erfordert. Der Topmanager definiert in Zusammenarbeit mit den Managern die strategischen Wissensgebiete. Die Manager identifizieren gemeinsam mit dem Personalmanager die Wissensträger je strategischem Wissensgebiet.
Abbildung 5: Rollen im Wissenstransferprozess
Wissensträger, Wissensnehmer und Mentor sind neue Rollen, die es in der Organisation wahrscheinlich noch nicht gibt. Die wichtigste Aufgabe des Wissensträgers ist, das erfolgskritische Wissen und die Erfahrungen seines Wissensgebiets zu sammeln, aufzubereiten und zu verbreiten. Er entscheidet, welches Wissen gespeichert wird und er hat die Pflicht, es aktuell zu halten. Der Wissensnehmer hat zur Aufgabe das bereitgestellte Wissen aufzunehmen, anzuwenden und in seinen Erfahrungshintergrund zu integrieren. Er ist verpflichtet, bei Unsicherheiten solange nachzufragen, bis er die Inhalte verstanden hat und richtig anwenden kann. Sollte er bei der Anwendung zu neuen Erkenntnissen kommen, ist er aufgefordert diese zu kommunizieren. Der Mentor ist ein Wissensträger, der die Wissensnehmer bei der Anwendung des Wissens solange unterstützt, bis diese eine ausreichende Sicherheit erlangt haben.
Technik
Ohne entsprechende Technikunterstützung kann der systematische Wissenstransferprozess nicht erfolgreich implementiert werden. Das beginnt bei einer übersichtlichen Visualisierung der strategischen Wissensgebiete im Intranet mit einer gut nachvollziehbaren Struktur für die Ablage der Wissenseinheiten. Die potenziellen Benutzer müssen die benötigten Wissenseinheiten leicht finden können, entweder über das Wissensgebiet oder den zugehörigen Geschäftsprozess. Bei größeren Unternehmen erleichtert die Bereitstellung von Kollaborationswerkzeugen die Zusammenarbeit in und zwischen den Wissensträgerteams und ermöglicht die direkte Kommunikation zwischen Wissensträger und -nehmer. Je nach Technik-Affinität der Organisationsmitglieder können Werkzeuge zum Einsatz, die ein kooperatives Erzeugen von Wissenseinheiten ermöglichen. Z. B. könnten in einem unternehmensweiten Wiki alle wichtigen Fachbegriffe und Zusammenhänge der strategischen Wissensgebiete durch die Mitarbeit aller Wissensträger gesammelt und beschrieben werden.
Implementierungshinweis
Die Implementierung des systematischen Wissenstransferprozesses bedeutet für die meisten Unternehmen, größere Veränderungen in der Organisation vorzunehmen. Damit es zu keiner Überforderung der Organisationsmitglieder kommt, ist es sinnvoll diese Veränderungen stufenweise anzugehen.
In der ersten Phase kann mit den Prozessschritten 4 und 5 (Wissenskommunikation und -anwendung, siehe Abbildung 1) begonnen werden. Es bietet sich an, diese beiden Prozessschritte im Rahmen von Stellenwechseln zu üben. Als Methode kann dazu Expert Debriefing (Seren/Dückert 2006) oder eine Variante wie Wissensstafette oder TransferWerk (Kurzbeschreibung für alle in Mittelmann 2011: S. 95, S. 99, S. 103) zum Einsatz kommen. Das Grundprinzip dieser Methoden ist, dass der Stelleninhaber als Wissensträger sein Wissen seinem Nachfolger als Wissensnehmer in moderierten Übergabegesprächen und gemeinsamen Aktivitäten näher bringt. Dies bereitet die neuen Rollen Wissensträger und Wissensnehmer in der Organisation vor und hebt das Bewusstsein für die Bedeutung des Wissens ausscheidender Mitarbeiter.
In der nächsten Phase wird die organisationale Lernschleife um den Prozessschritt 3 ergänzt und damit vervollständigt. In der Organisation werden schrittweise immer mehr Wissenseinheiten erzeugt, regelmäßig kommuniziert und angewendet. Nach einer angemessen langen Zeitdauer (mindestens ein Jahr) wird der Prozessschritt 6 (Prozessreflexion) zum ersten Mal ausgeführt. Dies ergibt eine erste Revision der erzeugten Wissenseinheiten und des Lernprozesses.
In der letzten Phase wird die Systematisierung des Wissenstransferprozesses vollendet, in dem die strategischen Wissensgebiete samt ihren Wissensträgern definiert und einer beständigen Steuerung unterworfen werden. Meist geht diese Phase Hand in Hand mit der Etablierung eines unternehmensweiten Kompetenzmanagements.
Fazit
Spontaner Wissenstransfer ist in vielen Unternehmen gelebte Praxis. In nur wenigen ist sich das Management bewusst, dass die Organisation erst durch die Einführung des systematischen, gesteuerten Wissenstransfers in allen Geschäftsprozessen wissensbasiert und effizient arbeiten kann. Kritische Erfolgsfaktoren für die Einführung sind eine wissensfreundliche Unternehmenskultur, eine gut entwickelte Wissensorientierung bei der Mehrheit der Mitarbeiter, das Vorhandensein spezifischer Rollenbilder wie Wissensträger, Wissensnehmer und Mentor sowie eine adäquate Technikunterstützung.
Da durch die Einführung des systematischen Wissenstransfers mit größeren Veränderungen in der Organisation zu rechnen ist, sollte genügend Zeit eingeplant werden. Eine stufenweise Einführung ist einer Implementierung des Prozesses als Ganzes vorzuziehen.
Ein Unternehmen, das den systematischen Wissenstransfer erfolgreich implementiert hat, ist der Vision einer lernenden Organisation ein deutliches Stück näher gekommen. Es hat damit seine Überlebensfähigkeit nachhaltig gestärkt, was den Aufwand für die Implementierung langfristig rechtfertigt
Referenzen
Hofer-Alfeis, Josef (2008): KM solutions for the Leaving Expert issue. Journal of Knowledge Management, Vol. 12 No. 4 2008, S. 44-54.
Lembke, Gerald (2007): Persönliches Wissensmanagement. Perspektive blau, Januar 2007, http://www.perspektive-blau.de/artikel/0701a/0701a.pdf, Abruf: 30.10.2011.
Mittelmann, Angelika (2011): Werkzeugkasten Wissensmanagement. Norderstedt: Books on Demand, ISBN 978-3-8423-7087-6.
Seren, Paul; Dückert, Simon (2006):Die Methode Expert Debriefing
- Wissenssicherung bei ausscheidenden Mitarbeitern
eingebettet in das Konzept der Lernenden Organisation - . http://www.cogneon.de/files/COGNEON-Paper_-_Schaeffler-Lernende-Organisation_-_Knowtech-2006.pdf, Abruf: 30.10.2011, (Link aktualisiert 18.03.2013 - die Redaktion)
Terhoeven, Grit (2007): Präsentation "TransferWerk" strukturierter Wissenstransfer. http://www.exabis.com/cm362/fileadmin/wage/pdf/Praesentation_Terhoeven.pdf, Abruf: 30.10.2011
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