Aus Fehlern lernen Wissensmanagement bei General Motors - Teil B -

    21. März 2001 von Redaktion

    General Motors hat sich in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren, wie viele grosse bürokratische Organisationen, radikalen Veränderungen unterziehen müssen um sich am Markt behaupten zu können. Der Umbau des Unternehmens zu einer lernenden Orgnisation soll GM helfen, sich den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu stellen.

    Beobachtung

    Ein funktionierendes Lernmodell sollte die Möglichkeit enthalten, eingefahrene Denkmuster ständig zu hinterfragen und zu verändern. Eine Entscheidung mag auf der Annahme bestimmter Bedingungen beruhen, dies bedeutet jedoch nicht, dass diese Bedingungen immer gleich bleiben.

    Ein kontinuierlicher Beobachtungsprozess ermöglicht daher die frühzeitige Wahrnehmung von Faktoren, welche die einzuführende Veränderung beeinflussen.

    Diese Wissensaktivität ist äusserst wichtig und nicht einfach nur ein netter Nebeneffekt. Indem es eine solche Wisssensfunktion in den Lernprozess integriert, wird es dem Unternehmen möglich, den Einfluss äusserer Faktoren auf seine Entscheidungen und das eigene System zu akzeptieren und sich anzupassen.

    Soziale Faktoren

    Für ein funktionierendes Wissensmanagement ist es jedoch ebenso wichtig, wie die Angestellten mit dem Konzept umgehen.
    Zielstrebigkeit, Disziplin, Ansprechbarkeit, Engagement und Glaubwürdigkeit der damit befassten Mitarbeiter sind zentrale soziale Faktoren, die ein gut funktionierendes WM ausmachen.

    Zielstrebigkeit

    Eine Umgebung, die das Lernen unterstützt ist zwar notwendig, aber als solche nicht genug.

    Lernen scheint am effektivsten zu sein, wenn dahinter ein bestimmtes Bedürfnis steht. Lernen nur um des Lernens willen ist in einem Unternehmen wie GM nicht das Hauptanliegen der Mitarbeiter und der Organisation. Hier geht es darum die Lücken in der Leistung zu schliessen. Diese Lücken zu füllen macht das Unternehmen erfolgreicher und erfolgreicher zu sein als die Mitbewerber, ist das Bestreben des Unternehmens.

    Ebenso wichtig ist es, den Grund für den Informationsbedarf zu klären. Das Wissensmanagementsystem wurde z.B. im Marketing eingeführt, um mehr über die Verkaufsanreize zu erfahren, die eingesetzt werden, um Fahrzeuge zu verkaufen. Jeder Verkaufsmanager wurde dazu angehalten, die Gründe für seine Entscheidung darzulegen und die Ziele, die er hofft, mit diesem Anreiz zu erreichen. Diesen Informationen wurde zwar von der Organisation nachgegangen, jedoch nicht von den Verkaufmanagern selbst, die die Entscheidung trafen. Als Resultat wurde das System von Ihnen nicht als Hilfsmittel um mehr zu lernen begriffen, sondern als Kontrollinstrument ihrer persönlichen Leistung. Es ist also wichtig, klarzustellen wofür die Information gebraucht wird und das System so einzurichten, dass sie denjenigen zur Verfügung gestellt wird, die sie wirklich benötigen und damit arbeiten müssen.

    Disziplin und Ansprechbarkeit

    Organisatorisches Lernen ist kein selbstverständlicher Vorgang. Auch noch so viele Aufrufe des Managements, sich zu einer lernenden Organisation zu wandeln und so die Arbeitsprozesse zu verbessern, ändern daran nichts. Ohne diszipliniertes Vorgehen bei der Abstimmung und Anpassung des Lernprozesses werden Ziele nicht erreicht werden. Deshalb wird bei GM das Lernmodell an die spezifischen Bedürfnisse jeder Arbeitsgruppe und an die Aufgaben, mit denen das Team befasst ist, angepasst.

    Ansprechbarkeit

    Der Lernprozess muss so angelegt sein, dass sicher gestellt wird, dass die Mitarbeiter in der Organisation die von Ihnen benötigten Informationen zu dem Zeitpunkt erhalten, an dem sie benötigt werden und nicht einfach so irgendwann. Bei GM werden die Informationen nach den Arbeitsschritten in der Produktion systematisiert, so dass sie aus der Arbeitssituation heraus zugänglich sind. In Zukunft soll dies auch online möglich sein. Bis jetzt werden Informationen jedoch von den "lernenden Beobachtern" weitergegeben. Sie erläutern den Kontext der Information, die bis jetzt gewonnenen Erkenntnisse und stellen weitere Kontakte zur Verfügung, wenn jemand mehr über ein Thema wissen muss. Diese Methode ist nicht ideal, da sie gänzlich von der Initiative und den Fähigkeiten der "lernenden Beobachter" abhängig ist. Auch muss bei den Teams der Willen vorhanden sein, sich an diese Beobachter zu wenden, wenn sie Hilfe benötigen.

    Engagement und Glaubwürdigkeit

    Erwachsene lernen am meisten aus ihren Erfahrungen. Und obwohl die Erkenntnisse anderer durchaus nützlich sind, sind sie nicht immer willkommen - besonders dann nicht, wenn sie ungefragt gegeben werden. Die Herausforderung liegt hier darin, diejenigen, die damit beschäftigt sein werden die Veränderungen zu implementieren, in den gesamten Wissensfindungsprozess mit einzubeziehen. Die Erfahrung hat dem Wissensmangement bei GM gezeigt, dass auf diese Weise das Führungspersonal sich sehr viel stärker engagiert und auch bereit ist die gewonnenen Erkenntnisse anzuwenden.

    Heutzutage wird bei den Produktionsleitern nachgefragt, welches Wissen benötigt wird um eine Lücke zu schliessen, welche Versuche dazu gemacht werden sollen, wie die Versuche und ihre Ergebnisse aufgezeichnet werden sollen und in welcher Form sie die gewonnenen Erkenntnisse erhalten möchten.

    Glaubwürdigkeit

    In der Vergangenheit wurden bei GM oft neue, unerfahrene Angestellte mit dem Sammeln von Informationen betraut. Sobald das Management jedoch erfuhr, wer diese Informationen gesammelt hatte, wurden alle Vorschläge mit der Bemerkung "Was kann er schon wissen?" abgeblockt. Diese Mitarbeiter waren also nicht die richtigen in dieser Rolle. Konsequenterweise werden jetzt nur noch bewährte Mitarbeiter dafür eingesetzt, die in der Rolle des Beraters glaubwürdig sind und deren Kenntnisse weitgehend respektiert werden.

    Beispiel: Fahrzeuge schneller zur Marktreife bringen

    Dieses Beispiel verdeutlicht den Lernprozess und die daraus resultierenden Veränderungen im Arbeitsablauf bei GM.

    GM stellt Produkte her, die aus vielen Einzelteilen bestehen und nur zum Teil vom Unternehmen selbst hergestellt werden. Eine grosse Zahl von Teilen wird jedoch von Zulieferfirmen produziert. Um nun Fahrzeuge schneller zur Marktreife zu bringen, müssen auch diese Firmen mit in das interne Wissensmanagement einbezogen werden, damit benötigte Teile in deutlich kürzerer Zeit als bisher der Produktion zur Verfügung stehen können.

    Zu Beginn des Produktionsprozesses holte der verantwortliche Manager einen Beobachter vom Wissensmanagement in sein Team, um den Lernprozess zu beschleunigen und voranzutreiben. Das Team entwarf dann Pläne zur Verkürzung des Produktionsprozesses. Diese Entwürfe bildeten den Rahmen in dem das Wissensmanagement beobachtete und analysierte, was wirklich geschah.

    Diese Analyse wiederum wurde, zusammen mit Erkenntnissen aus anderen Projekten, die Grundlage für die Arbeit aller an der Produktion Beteiligten Mitarbeiter.

    Die fortlaufende Analyse zeigte sehr bald einige systemische Muster:

    • Die Arbeit von einzelnen Teams wurde immer wieder durch die Interaktion mit der Designabteilung verlangsamt. Die Analyse ergab, dass nicht die Mitarbeiter dafür verantwortlich waren, sondern die Inkompatibilität des in dieser Abteilung verwandten Computersystems, das es den Designern nicht ermöglichte, Daten mit dem Rest des Unternehmens auszutauschen. Veränderungen in der IT-Landschaft und Schulungen lösten dieses Problem.
    • Die Arbeit der Teams wurde oft durch in letzter Minute getroffene ad hoc - Entscheidungen des höheren Managements verzögert. Es wurde sehr bald deutlich, dass nur frühzeitige und anhaltende Interaktion mit dem Management alle Missverständnisse und Entscheidungen abklären kann.
    • Ein Team sollte zum ersten Mal eine Produktionseinheit ausserhalb der USA aufbauen. Ihre völlige Unvertrautheit mit der Kultur und den sozialen Gepflogenheiten dieses Landes kosteten sie etliche Wochen Entwicklungszeit. Das Team dokumentierte jedoch seine Fehler und was es daraus gelernt hatte, und gab diese Erfahrungen dann an das nächste Team, das ausserhalb der USA arbeiten sollte, weiter. Das zweite Team nahm sich die Zeit, seine Projektpartner genau kennenzulernen und ein kulturelles Trainingsprogramm zu durchlaufen. Dies ermöglichte es ihnen, sehr viel erfolgreicher zu arbeiten und man gewann mehrere Wochen an Entwicklungszeit.
    • Ein anderes Team musste situationsbedingt seine Marketingstudien aussergewöhnlich früh beginnen. Die Marktforschungsabteilung entschied jedoch dies nicht als Nachteil zu sehen, sondern es in einen strategischen Vorteil umzuwandeln und testete diese Vorgehensweise auch in anderen Produktionsprogrammen. Es stellte sich heraus, das frühzeitige Studien den Produktionsprozess verbessern, daher soll diese Methode jetzt in allen Produktionsbereichen eingeführt werden.

    Diese Beispiele sind weder hightech, noch besonders komplex, aber sie zeigen, wie Teams, die ihre Erfahrungen teilen, auch vom Wissen anderer profitieren können und so die Performanz des gesamten Unternehmens erheblich verbessern.

    Weitere Prozesse

    Bei GM werden Entscheidungen in zwei Arten klassifiziert. Solche, die immer wieder getroffen werden (müssen) und für die daher auf frühere Erfahrungen zurückgegriffen werden kann, und strategische Entscheidungen, für die nur wenige oder gar keine Vergleichsdaten vorliegen. Für die letzteren gibt es ein Programm, um die Entscheidungsfindung zu fördern:
    Das University Discovery Center.
    Es handelt sich hierbei um ein Netzwerk von Menschen, Tools und Prozessen.

    Das UDC handelt auf der Basis von folgenden Annahmen:

    • Teams haben es oft mit einer Informationsflut zu tun, die sie förmlich lähmt.
      Obwohl alle notwendigen Informationen vorhanden sind, kann nicht adäquat reagiert werden. Das Wissensmanagement von GM vermutet, dass die Informationsmenge einfach zu überwältigend ist und dass die Information nicht genügend verdichtet ist, um die Auswirkung einer Aktion auf das gesamte Unternehmen zu beurteilen. Sehr oft werden Informationen auch nicht in einer Form präsentiert, die die Aufmerksamkeit des Lesers fesselt. Bei GM versucht man dem zu begegnen, indem man ein Team von Informationssammlern, Informationsarchitekten und Graphikern "Informationsjuwelen" zusammenstellen lässt, die es den Mitarbeitern ermöglichen, das Wissen zu erfassen und angemessen zu handeln.
    • Kreatives Denken ist Denken in ungewöhnlichen Bahnen.
      Das Wissensmanagement versucht daher kreative strategische Denkprozesse zu entwickeln, die den Teams helfen sollen ihre Probleme einmal aus anderen Blickwinkeln zu betrachten.
    • Ungewöhnliche Umgebungen erzeugen Kreativität.
      Wie kann die Umgebung dazu beitragen, Zusammenarbeit und kreative Prozesse zu fördern? Das Wissensmanagement experimentiert hier mit Grundrissen, Möblierung, visuellen Stimuli, Essen und anderen Dingen um auf diesem Gebiet Erfahrungen zu sammeln.

    Alle diese Dinge wurden bei verschiedenen Teams erfolgreich eingesetzt. Auch technische Innovationen wurden schon im UDC entwickelt. Die Herausforderung liegt darin, solche strategischen Entscheidungen und Elemente zu unterstützen, die den grösst möglichen Vorteil für das gesamte Unternehmen bringen.

    GM hat sich entschieden, den Herausforderungen des 21. Jhdts. durch fortlaufendes, organisationales Lernen und durch Anpassung an die sich ständig ändernden Bedingungen zu begegnen. Bei der Einführung des Wissensmanagements wurden viele Fehler gemacht und man hofft sogar weitere Fehler zu begehen, denn:

    Aus Fehlern lernen nicht nur Menschen, sondern auch Organisationen.

    Nur die lernende Organisation wächst und entwickelt sich weiter, neuen Zielen entgegen.

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