Aus Fehlern lernen Wissensmanagement bei General Motors - Teil A -

    21. März 2001 von Redaktion

    General Motors hat sich in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren, wie viele grosse bürokratische Organisationen, radikalen Veränderungen unterziehen müssen um sich am Markt behaupten zu können. Der Umbau des Unternehmens zu einer lernenden Orgnisation soll GM helfen, sich den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu stellen.

    Die Anpassung begann mit dem Eintritt von Vince Barabba in die Firma. Bis zu diesem Zeitpunkt war GM eine starre, von sich selbst überzeugte, wenig flexible Organisation.

    Barabba begann damit, das Verhalten der Firma zu verändern, indem er zwei Grundprinzipien postulierte, die er als die zukünftigen Herausforderungen für das Unternehmen sah:

    1. Entscheidungsträger brauchen Zugang zu Informationen, die es ihnen ermöglichen, die sich ständig verändernden Märkte zu verstehen.
    2. Die Organisation muss Prozesse in Gang setzen, die die Entscheidungsträger bei ihren Entscheidungen unterstützen.

    In den 80er und frühen 90er Jahren begannen Vince Barabba und sein Team mit ausgedehnten Marktforschungsaktivitäten, die dem Unternehmen zu besseren Erkenntnissen über ihre Kunden und deren Bedürfnisse verhalfen. Seitdem werden solche Informationen in die Entscheidungsfindungsprozesse integriert, so dass echte Informationen über die Kunden die Grundlage für das Produktportfolio bilden.

    Das zweite o.g. Prinzip stellte eine ähnlich grosse Herausforderung dar: Während das Wissen über die Märkte sicherlich die Qualität der Entscheidungen verbesserte, fehlte es immer noch an einem straffen Entscheidungsfindungsprozess. Um diesen Prozess zu unterstützen, wurde ein Team aus internen Beratern gebildet, die in unterschiedlichen Bereichen, wie  financial modeling,  facilitation,  analysis  ausgebildet waren und über grosses organisatorisches Wissen verfügen. Der von ihnen initiierte  Dialog Decision Process  trug in den folgenden Jahren ganz wesentlich dazu bei, komplexe, schwer überschaubare Fragen zu lösen.

    Weitere Verbesserungen

    Mitte der 90er Jahre wurde, basierend auf dem learning and adaption model von Dr. Russel Ackhoff damit begonnen, jede wichtige Entscheidung formal zu dokumentieren. Die Kriterien dabei waren:

    • Wer traf die Entscheidung?
    • Auf welcher Grundlage wurde sie getroffen?
    • Welche Informationen wurden für die Entscheidungsfindung herangezogen?
    • Wie sollte die Entscheidung implementiert werden?

    Diese Aufzeichnung der Entscheidungen ermöglichte es, ihren Nutzen zu bewerten:

    • Brachte die Entscheidung die erwarteten Ergebnisse?
    • Wenn nicht, warum nicht?
    • Wurde der falsche Entscheidungsfindungsprozess eingesetzt?
    • Basierte die Entscheidung auf falschen oder falsch bewerteten Informationen?
    • Wurde der grössere Kontext nicht genügend in Betracht gezogen?

    Dieser Prozess des dokumentierens und in Frage stellens von Entscheidungen schuf eine lernfördernde Umgebung, die die gesamte Unternehmenskultur herausfordert. Sie beruht auf der Annahme, dass aus Fehlern mehr gelernt wird als aus der Verbesserung des immer gleichen.

    Die Fehleranalyse ermöglicht es, Schwachstellen im gegenwärtigen System zu identifizieren. Aber wer will schon Fehler öffentlich diskutieren?

    GM begegnet diesem Problem, indem klargestellt wird, dass individuelles Lernen und das Lernen der Organisation als ganzes vergleichbare, jedoch völlig verschiedene Dinge sind. Das erste bildet zwar den Grundstock des organisationalen Lernens, es ist jedoch nicht dasselbe. Auch wenn eine Organisation aus noch so brillanten Individuen besteht, bedeutet dies nicht zwingend, dass sie ebenso hervorragend als Gruppe funktioniert. Wie Menschen haben Organisationen eine eigene Persönlichkeit.

    Das Unternehmen wird bei GM als eigenständiges Wesen betrachtet, das lernen und sich anpassen kann. Was also kann es bereits, was muss es noch lernen?

    Organisatorische Lernprozesse müssen unabhängig von Mitarbeiterfluktuationen weiter geführt werden, um eine kontinuierliche Entwicklung des Unternehmens zu gewährleisten. Dieses organisatorische Lernen hat bei GM die folgenden Komponenten:

    • Zugang zu den Erfahrungen anderer
    • Die Aufzeichnung von Schlüsselentscheidungen
    • Prozessüberwachung
    • Analyse, Diagnose und Empfehlungen
    • Beobachtung

    Zugang zu den Erfahrungen anderer

    Idealer weise sollen alle Mitarbeiter Zugriff auf das Wissen von GM haben. Oft handelt es sich jedoch (noch) nicht um Wissen, sondern um Erfahrungen, die ein weiteres Austesten erfordern. Es ist daher wichtig, eine Umgebung zu schaffen, in der die Mitarbeiter problemlos auf die Erfahrungen ihrer Kollegen zurückgreifen können, bevor sie eigene Projekte angehen.

    In einem von der Produktion geprägten Unternehmen wie GM liegt der Schwerpunkt des Lernens eher darauf, sich selbst etwas durch ausprobieren anzueignen, als es sich mühselig aus Papieren zusammenzusuchen und auf diese Weise vom Lernprozess anderer zu profitieren.

    Es stellte sich daher als Fehler heraus, den Mitarbeitern jede Menge Papiere, Unterlagen, on-line Informationsquellen und dergleichen zur Verfügung zu stellen und nun zu erwarten, dass sie sich all dieses Wissen selbständig und von sich aus aneignen.

    Als Konsequenz daraus wird heute bei GM das Lernen sozusagen "customized". Das Lernen eines Mitarbeiters wird auf das beschränkt, was er aktuell aus seiner Situation heraus braucht. Besonderer Wert wird dabei auf das Lernen "von Mensch zu Mensch" gelegt. Die Mitarbeiter werden ermutigt, Fragen zu stellen und sich nicht zu scheuen, die Erfahrungen ihrer Kollegen in ihrer eigenen Arbeit zu nutzen. Das Wissensmanagement besteht hier also darin, die richtigen Leute miteinander in Kontakt und ins Gespräch zu bringen, um so einen Austausch und gemeinsames Lösen von Problemen zu ermöglichen. Die geschieht in Form von spontanen Meetings, Orientierungsworkshops für neue Teams, Telefonkonferenzen usw.

    Immer jedoch liegt der Fokus auf der Ebene des persönlichen Austausches von Mensch zu Mensch.

    Aufzeichnung von Schlüsselentscheidungen

    Um aus Entscheidungen zu lernen, müssen sie in irgendeiner Form aufgezeichnet werden. Um sie auch noch einige Zeit später oder von anderen nachvollziehbar zu machen, reicht es jedoch nicht aus, nur die Entscheidung allein aufzuzeichnen. Vielmehr muss der gesamte Kontext der Entscheidungsfindung - die zugrunde liegenden Annahmen und Diskussionen, wer sie traf und welche Verpflichtungen damit eingegangen wurden - mit dokumentiert werden.

    Diese Aufzeichnungen sind jedoch nur für das Management und nicht für die breitere Firmenöffentlichkeit gedacht. Sie stellen ein Instrument dar, um Entscheidungen zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal (neu) bewerten und nachvollziehen zu können.

    Prozessüberwachung

    Projektüberwachungstools können effektiv sein, jedoch nützt es wenig, Informationen erst nach Beendigung eines Prozesses zu sammeln, da dann der Prozess selbst ja nicht mehr gesteuert werden kann. Es ist zu diesem Zeitpunkt auch sehr viel schwieriger, noch akkurate Informationen zu erhalten.

    Auch sind solche Tools bei mehrdimensionalen, komplizierten Sachverhalten nur bedingt einsetzbar. Bei GM wird deshalb eine dritte, unabhängige Partei für die Prozessüberwachung und -dokumentation eingesetzt. So werden nicht nur die Sachverhalte besser erfasst, sondern die Berichte sind durch die Unabhängigkeit der Beobachter auch glaubwürdiger.

    Analyse, Diagnose und Empfehlungen

    Bereits seit längerer Zeit versuchte man bei GM die Methode der "lessons learnt" einzusetzen, musste aber feststellen, dass dabei oft nur eine Liste von Wünschen und Beschwerden herauskam. Es wurde nicht reflektiert was gelernt wurde, da als Basis des Prozesses nicht eine Hypothese eingesetzt wurde, die dann zu validieren war. Offensichtlich ist es während des laufenden Geschäftes schwierig eine Situation zu analysieren, festzustellen wie sie verbessert werden könnte, diese Verbesserung versuchsweise einzuführen, den Effekt zu messen, es nötigenfalls noch einmal mit einem anderen Ansatz zu versuchen und dann die Veränderung wirklich einzuführen. Diese Art von Lernen benötigt Führungskräfte, die in der Lage sind über das Tagesgeschäft hinaus zu blicken und die auch das Wohl des gesamten Unternehmens nicht aus den Augen verlieren. Um die Führungskräfte bei dieser Aufgabe zu unterstützen, wird ihnen bei GM ein "lernender Beobachter" bei Seite gestellt, der die Beobachtungen und Entscheidungen des Managers aufzeichnet und analysiert, dabei aber immer die Perspektive des gesamten Unternehmens im Auge hat.

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