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Schritte zur Einführung des Wissensmanagements: Wissenskarten - Gelbe Seiten - Teil B -
15. März 2001 von Dr. Bernhard von GuretzkyDieses Papier (bestehend aus den Teilen A und B) ist der zweite Teil einer Reihe von Abhandlungen, in denen die einzelnen Schritte der Einführung des Wissensmanagements im Unternehmen beschrieben werden. In diesem Teil B werden die für die Wissenstransparenz hilfreichen technischen und organisatorischen Hilfsmittel beschrieben: Wissenskarten oder die in ihrer personalisierten Form sog. Gelben Seiten, deren Eigenschaften und Funktionen hier behandelt werden.
Wissenskarten
In der Praxis dienen Wissenskarten der Wissenstransparenz. Wissenskarten sind Verzeichnisse von Wissensträgern, -beständen, -quellen, -strukturen bzw. -anwendungen, die
referenzieren und dabei auf explizites wie implizites Wissen verweisen, das in externen oder internen Dokumenten, Datenbanken oder in den Köpfen von Experten vorhanden ist. Sie vereinen in sich den Ansatz der Visualisierung von Wissen, des Hypermedia-Konzepts sowie möglichst einer technologiegestützten Gestaltung von Geschäftsprozessen mittels Groupware oder eines Intranet. Diese Form der Visualisierung von Wissen ist kein eigentlich neuer Ansatz, sondern dient vielmehr dazu, mehr Teile des Gehirn zu aktivieren als Text allein das vermag, um damit die Aufmerksamkeit der Menschen zu erhöhen.
Wissenskarten tragen dem Umstand Rechnung, dass Wissen im allgemeinen nur aufwendig explizierbar und damit nur schwer übertragbar ist. Folgerichtig verweisen sie häufig auf die Wissensträger innerhalb einer Organisation und sind damit Metainformationen, die den Weg zum Wissen aufzeigen anstatt die Wissensinhalte selbst zu beschreiben. Solche Wissensträgerkarten oder Wissenstopographien geben wie "Gelbe Seiten" Auskunft über Experten mit spezifischem Handlungswissen und über deren aus Erfahrung gewonnenen Kompetenzen. Sie verhelfen über die Identifizierung des "gewußt wo" zum "gewußt wie"! Auch Fähigkeiten und Kontakte, die Mitarbeiter firmenextern pflegen, können für das Unternehmen von Interesse sein und sollen daher in den Wissensträgerkarten referenziert werden.
Wissensträgerkarten können durch folgende Formen ergänzt werden:
Bei der sog. Kodifizierung von Wissenskarten - also der Sprache, in der das Wissen beschrieben wird, ist ein möglichst standardisiertes Vokabular (controlled vocabulary) zu verwenden, das im Vorfeld zu definieren ist. Neben diesem Vokabular - einem Thesaurus nicht unähnlich - sind Ordnungs- und Klassifizierungsbegriffe festzulegen, die zusammen mit einem geeigneten Navigationssystem einen effektiven Such- und Findeprozess ermöglichen. Der Realisierung von Wissenskarten geht eine unternehmensstrategische Bestimmung der Wissensziele voraus, in der diejenigen Kernprozesse und Entwicklungen im Unternehmen definiert werden, die in hohem Maß von Wissen abhängig sind.
Management von Wissen besteht im wesentlichen im Management von Wissensträgern. Wissenskarten sind somit Ausdruck der auf der Ebene des strategischen und operativen Wissensmanagements vorgegebenen Richtung, welche die Entwicklung des Wissens im Unternehmen einschlagen soll. Wissenskarten definieren dadurch Wissensbaustellen und weisen auf mögliche Differenzen zwischen den definierten Wissenszielen und ihrer momentanen Umsetzung hin. Dieser Soll-ist-Abgleich gibt damit Auskunft über die künftigen Betätigungsfelder der Wissensentwicklung.
Gelbe Seiten
Eine besondere Form von Wissensträgerkarten sind Gelbe Seiten, in denen das Zusammenspiel von Fach-, Methoden- Sozial- und personaler Kompetenz der Mitarbeiter beschrieben wird. Sie tragen ganz wesentlich zur innerbetrieblichen Kommunikation bei.
Im Bereich Fachkompetenz werden die beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten, die durch eine formale Ausbildung oder durch berufliche Erfahrungen erworben wurden, beschrieben. Zur Präzisierung der Know-how-Profile und zur besseren Einordnung der Mitarbeiter in eine Projekt- und Ausbildungsplanung ist eine Bewertung der Wissensgebiete in Skill-Stufen sinnvoll:
Die Methodenkompetenz liefert Aussagen über die Fähigkeiten und Erfahrungen des Mitarbeiters, Aufgaben strukturiert bearbeiten zu können.
Der Bereich Sozialkompetenz enthält Informationen über die Teamfähigkeit und über das Vermögen Problemsituationen mit Vorgesetzten, Kollegen oder Partnern lösen zu können.
Die personale Kompetenz schließlich gibt Auskunft über die Lernfähigkeiten des Mitarbeiters, seine Führungsqualitäten und seine Durchsetzungskraft.
Die Aussagen über Sozial- und personale Kompetenz sind vertraulich zu behandeln, d.h. der Zugriff auf diese Informationen ist restriktiv zu gestalten. Sie sollten aber bei der Planung mit berücksichtigt werden, sind sie doch ein wichtiges Entscheidungsinstrument für die Personal- und Einsatzplanung. Ein weiterer Vorteil liegt zudem darin, dass sie für die Mitarbeiter klar definierte Ziele darstellen, welche sie anstreben müssen, um eine bestimmte Karrierestufe zu erreichen. Gleichzeitig können damit Weiterbildungsangebote verbunden werden, so dass der Mitarbeiter überhaupt die Möglichkeit hat, diese Anforderungen zu erfüllen. Es versteht sich von selbst, dass diese Punkte sehr sensibel zu handhaben sind und nur mit Einbeziehung der betroffenen Mitarbeiter und gegebenenfalls des Betriebsrats zu realisieren sind. Für die Personalentwicklung einerseits wie für die eigenverantwortliche Qualifizierung der Mitarbeiter andererseits erscheint eine Beschreibung dieser beiden Kompetenzen jedoch unerläßlich.
Eng verbunden mit dieser erweiterten Form der Gelben Seiten ist das Skill Management, dessen Aufgabe es ist, die am besten geeigneten Mitarbeiter zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort einsetzen zu können. Im Rahmen einer Personalisierungsstrategie der Gelben Seiten ermöglichen sie, die Qualifikationen und Erfahrungen von Mitarbeitern zu verwalten. Über geeignete Anfragen und Auswertungsstrategien können die Personalplaner auf die benötigten Kompetenzträger zugreifen. Auf der Basis der beschriebenen und bewerteten Kompetenzen lassen sich die Aussagen über den einzelnen Mitarbeiter in den Gelben Seiten objektivieren und mit anderen vergleichen. Darüber hinaus gehören im Rahmen des Skill Management noch Angaben über die örtliche und zeitliche Verfügbarkeit eines Mitarbeiters.
Gelbe Seiten sind mit kommunikativen Funktionen zu versehen, die es erlauben, innerhalb eines Arbeitsprozesses Verbindung zu anderen Mitarbeitern aufzunehmen. Dies kann etwa durch eine Vernetzung mit dem firmeninternen Telefonverzeichnis oder durch Email geschehen. Um sowohl mehrdimensionale Abfragen zu ermöglichen, als sich auch der mächtigen Zugriffsfunktionen, die SQL bietet, bedienen zu können, ist es in den meisten Fällen sinnvoll, Gelbe Seiten mit Hilfe eines relationalen Datenbanksystems anstelle etwa von HTML-Dokumenten im Intranet zu verwalten. Dies erlaubt nicht nur Abfragen wie etwa: "Über welche Fähigkeiten verfügt Mitarbeiter xyz?" sondern auch umgekehrt die Zuordnung von Wissensgebieten zu Mitarbeiten, d.h.: "Wer verfügt über Expertenwissen auf dem Wissensgebiet abc?".
Führt der Verweis auf einer Wissensträgerkarte auf firmenexterne Adressen, so spricht man von Blauen Seiten, die Experten in anderen Firmen, Forschungseinrichtungen o.ä. referenzieren. Darüber hinaus stellen die Verbindung zu externen Technologie- und Marktentwicklungen in vielen Unternehmen sogenannte "trend scouts" dar, die vor Ort das Geschehen beobachten. Sie sollen sich andeutende "schwache Signale" der Trendentwicklung und deren Relevanz für das Unternehmen erkennen und bewerten, um entsprechende interne Maßnahmen vorzubereiten, wodurch gerade in den zeitkritischen high-tech Branchen ein wettbewerbsentscheidender Zeitvorteil erzielt werden kann.
Als Ansprechpartner müssen sich die realen Personen "hinter" den Gelben bzw. Blauen Seiten genügend Zeit für Ratsuchende nehmen, sonst ist ihr Platz im Branchenbuch des Unternehmens faktisch wertlos.
Wissenskarten und insbesondere deren personalisierte Form die Gelben Seiten bilden die inhaltliche Basis einer "Wissensgemeinschaft", einer "community of knowledge". Ein technischer "enabler" dafür ist "computer supported collaborative working" oder Groupware-Systeme, die Mitarbeiter mit ihren Wissensprofilen zu vernetzen. In seiner einfachsten Form bieten sich dafür Internet-basierte Foren wie etwa Newsgroups an. An komfortablen und technisch ausgereiften Systeme ist Lotus Notes das wohl am weitesten am Markt vertretene Groupware-Produkt und wird deshalb im Bereich des Wissensmanagements häufig eingesetzt. Da die Groupware-Systeme nicht nur die aktuellen Dokumente verwalten, sondern den gesamten Kommunikationsprozess zwischen den einzelnen Mitarbeitern dokumentieren, bleibt der Kontext mit den einzelnen Entwicklungsschritten stets nachvollziehbar.
Einführung von Wissenskarten
Die technische Realisierung von Wissenskarten und ihrer Unterformen, ob nun im Rahmen eines Intranets, mit Hilfe von Datenbanken oder als Bestandteil von Groupware Systemen, spielt eine nachgeordnete Rolle. Die Anlage und Pflege von Wissenskarten ist primär ein intellektuelles und organisatorisches Projekt und keine technologieorientierte Aufgabe.
Bei der Einführung von Wissenskarten ist der Schwerpunkt auf wissensintensive Prozesse zu legen. Hier läßt sich am schnellsten ein Erfolg (oder Mißerfolg) nachweisen, der für die künftige Unterstützung der betroffenen Mitarbeiter entscheidend sein kann. Im Zusammenhang mit der Erfassung der wissensintensiven Prozesse sind die relevanten Wissensbestände und entscheidenden Wissensträger zu identifizieren. Dann kommt der wohl schwierigste Part, nämlich die Kodifizierung dieses Wissens samt ihrer Träger, wobei ein wie in Abschnitt 4 schon erwähntes "controlled vocabulary" zu verwenden ist. Schließlich sind die kodifizierten Informationen, d.h. die Verweise auf Wissen und Personen in ein Navigationssystem einzubinden und gegebenenfalls mit anderen firmeninternen Verwaltungssystemen zu vernetzen.
Detaillierte Wissenskarten können sehr komplex werden. Wissensstrukturen sind vielschichtig und Wissen verändert sich mit der Zeit, Subjektivität spielt eine Rolle und Fachwissen ist mit Macht verbunden. Durch die kontinuierliche Veränderung von Organisationen ist es schwer, Wissenskarten aktuell zu halten, daher soll die Erstellung einer Wissenskarte nicht als einmaliger Akt angesehen werden, sondern als ein kontinuierlicher Prozess verstanden werden. Auf organisatorischer Ebene sind daher Mechanismen für eine ständige Aktualisierung der Wissenskarten zu etablieren. Denn sie haben nur dann einen bleibenden Nutzen, wenn sie als dynamische Dokumente verstanden und stetig weiterentwickelt werden. Dazu gehört auch das Schaffen von lernfördernden Bedingungen, die zu Selbstorganisation und Eigenentwicklung motivieren. An Stelle von Wissensvermittlung tritt Beratung, Unterstützung oder Moderation von Gruppenarbeit, was Freiräume für Reflexion der Entwicklungsprozesse innerhalb der Organisation voraussetzt. Besonders bei virtuellen, vernetzten Arbeits- und Organisationsformen ist es wichtig, die Entwicklungspotentiale der eigenen Mitarbeiter zu kennen, um sie auf dieser Basis gezielt weiterzuentwickeln.
Überhaupt sei darauf hingewiesen, dass die Einführung von Wissenskarten nur in einer Unternehmenskultur erfolgreich sein wird, in der ein Geist vorherrscht, wo Ideen ausgetauscht werden, persönliche Zusammenarbeit und ständige Verbesserung an der Tagesordnung sind. Ein systematisches Wissensmanagement ist somit ein "enabler", um die menschliche Kommunikation und Kreativität zu unterstützen, die gerade in großen Unternehmen einen hohen Stellenwert besitzt, da sie die Entstehung informeller Netzwerke von Mitarbeitern über Funktionen und Bereiche hinweg unterstützen helfen.
Schließlich seien auch die Nachteile von Wissenstransparenz und Wissenskarten erwähnt. Die Einführung von Wissensmanagement im Unternehmen ist kein Projekt mit festem Budget und klar definierter Laufzeit. Allein schon der Aktualisierungsaufwand der Wissenskarten (s.o.) erfordert fortlaufende Tätigkeiten, bei der die nicht zu unterschätzende Gefahr besteht, das sie ohne klar definierte Verantwortlichkeiten und ohne ausreichendes Budget wieder einschlafen, womit die bis dahin geleistete Arbeit schnell verpufft. In der Regel wird darüber hinaus sogar die IT-Infrastruktur betroffen sein, die den zusätzlichen Anforderungen angepaßt werden muß. Zudem ist ein anfänglicher hoher finanzieller und personeller Aufwand notwendig, bevor meßbare Erfolge erzielt werden, gerade weil noch unzureichende Quantifizierungsmethoden im Bereich des Wissensmanagements vorhanden sind. Denn noch läßt sich nur unzureichend beschreiben, was ein WM-Investment innerhalb von ein oder zwei Jahren bringt, obwohl die Kosten einigermaßen überschaubar sind. Und solange der return of investment so unklar ist, sträuben sich die Controller in den Unternehmen naturgemäß gegen derart "unsichere" Investitionen. Hier ist also ein langer Atem notwendig.
Auch sei darauf hingewiesen, dass durch die Konzeptualisierung und durch die Festlegung auf Ordnungs- und Bewertungsschemata eine Reduktion der Komplexität und der innewohnenden Zusammenhänge eines Wissensgebietes einher geht.
Links
www.cck.uni-kl.de/wmk/papers/public/Bausteine/
www.cck.uni-kl.de/wmk/papers/public/KnowledgeMapping/
www.symposion.de/wissen/wm_21.htm
www.hbi-stuttgart.de/nohr/Km/KmPubl/wisska/wisska_1.html
www.community-of-knowledge.de/cp/cp_portale.htm
www.community-of-knowledge.de/cp/wissensziele.htm
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