Grundlagen des geistigen Eigentums - Eine Einführung für Wissensmanager

    15. Januar 2001 von Dr. Janko Jochimsen

    Mit der zunehmenden Bedeutung des Wissensmanagements steigt unweigerlich die Relevanz der Schutzrechte für geistiges Eigentum. Für den im Bereich des Wissensmanagement Arbeitenden stellt sich dabei die Frage in doppelter Richtung: Unter welchen Voraussetzungen kann ich die geistige Arbeit anderer in mein Wissensmanagement integrieren und umgekehrt wie und unter welchen Voraussetzungen kann ich die Erzeugnisse des hiesigen Wissensmanagements schützen?

    Der folgende Artikel soll zu diesen Fragen eine kurze und praxisorientierte Einführung geben, wobei auf die Darstellung juristischer Detailfragen bewußt verzichtet wird.

    Schutz von Werken und Ideen

    Der Schutz des geistigen Eigentums unter der Geltung deutscher Gesetze ist nur zu verstehen, wenn man sich vor Augen hält, daß abgesehen vom Patentrecht praktisch kein Ideenschutz, sondern immer nur ein Werkschutz besteht. Dies heißt, daß die etwa in einem Text ausgedrückte Idee nicht schutzfähig ist. Schutzfähig hingegen ist der konkrete Text in dem die Idee ihren Ausdruck gefunden hat. Nutzt also jemand die von mir veröffentlichte Idee, etwa um einen eigenen Artikel zu verfassen, so sind hier Rechte des geistigen Eigentums praktisch nicht berührt. Ein Rechtsschutz ist nicht gegeben. In der Konsequenz heißt dies, daß ein echter Ideenschutz in der Regel nur über eine Kombination von Geheimhaltung und selektiver Weitergabe unter der Geltung bestimmter sehr restriktiver vertraglicher Bestimmungen realisiert werden kann. Damit scheiden derartige Informationen für ein Wissensmanagementsystem in der Regel aus.

    Wie bei fast allen juristischen Regeln gibt es auch zu der vorgenannten eine Ausnahme. Immer dann, wenn besondere Voraussetzungen einer sittenwidrigen Übernahme fremder Ideen, insbesondere im wirtschaftlichen Wettbewerb vorliegen kann auch dies juristisch sanktioniert werden. Hierbei handelt es sich um nur ausnahmsweise vorliegende Fallgruppen wie "sklavische Übernahme" oder "sittenwidrige Rufausbeutung". Für den Nichtjuristen und Praktiker sind diese Kategorien meist ohne Relevanz, so dass hier nicht weiter auf sie eingegangen werden soll.

    Scheidet man damit den Ideenschutz und das Patentrecht einerseits und die wettbewerbswidrigen Handlungen andererseits aus, bleibt der Schutz über das Urheberrecht auf das sich der weitere Artikel beschränken soll.

    Urheberrechte

    Das Urheberrecht geht zunächst von der sehr einfachen Grundkonstruktion aus, daß dem Urheber eines Werkes zunächst alle aus dem Urheberrecht fließenden Rechte zustehen. Dieses Recht gilt immer für den Schöpfer des Werkes persönlich. Dieser Urheber verfügt entweder bereits im Vorfeld oder nachdem er das Werk geschaffen hat, über den ganz wesentlichen Teil der aus dem Urheberrecht entspringenden Gebrauchs und Nutzungsrechte. Prominentestes Beispiel für eine Übertragung von vornherein sind etwa die Rechte des Arbeitgebers an den Ge-brauchs- und Nutzungsrechten der von seinen Arbeitnehmern im Rahmen des Arbeitsverhältnisses geschaffenen Werke.

    Die so übertragenen Gebrauches- bzw. Nutzungsrechte an einem Werk können in der Regel von dem ursprünglichen Empfänger später weiter übertragen werden. Welche Rechte konkret weitergegeben werden können, hängt wiederum von der Vertragsgestaltung der ursprünglichen Übertragung ab. Letztlich kann der Empfänger immer nur das weitergeben, was er selber übertragen bekommen hat. Von Übertragung zu Übertragung werden daher die Rechte tendenziell immer weiter abnehmen. Bevor auf die sehr wichtige Ausgestaltung dieser Form der rechtlichen Weitergabe genauer eingegangen werden soll, sind die von einer rechtsgeschäftlichen Übertragung unabhängigen gesetzlichen Nutzungsmöglichkeiten kurz zu erwähnen.

    Das Urhebergesetz (UrhG) kennt auf Grund von übergeordneten gesellschaftlichen Interessen Einschränkungen des Urheberrechts. So muß der Urheber eines Werkes insbesondere im Interesse von Lehre und Forschung, aber auch im Interesse eines allgemeinen gesellschaftlichen Diskussionsprozesses, Einschränkungen seines Urheberrechts dulden. In diesem Zusammenhang ist vor allem auf die urheberrechtliche Möglichkeit des Zitats hinzuweisen. Grundsätzlich ist jedermann berechtigt, auf die Werke eines anderen zuzugreifen, um im Wege von wörtlichen Zitaten deren Meinung quasi im eigenen Wortlaut darzustellen. Hierzu ist es nicht erforderlich, daß eine kritische oder sonstige Auseinandersetzung mit dieser Auffassung erfolgt. Es genügt vielmehr, wenn das Darstellungsinteresse nicht nur vorgeschoben ist, um eine Umgehung des Urheberrechtsschutzes vorzunehmen. Werden etwa in einem Artikel verschiedene Stellungnahmen einer Fachkonferenz nebeneinander dargestellt, ist es ohne rechtsgeschäftliche Grundlage zulässig, aus den jeweiligen Veröffentlichungen die wesentlichen Kernaussagen wörtlich zu zitieren. Erforderlich ist insoweit nur, dass die Zitate in eine eigene schöpferische Leistung eingebunden sind und das Zitat als solches mit Quellenangabe dargestellt wird.

    Wie zuvor schon erwähnt wurde, besteht neben den gesetzlichen Möglichkeiten urheberrechtlich geschützte Werke anderer zu nutzen, auch und immer die Möglichkeit, die Rechte an der Nutzung im Wege der rechtsgeschäftlichen Übertragung zu erwerben. Hierbei ist eine der wichtigsten aber auch der schwierigsten Fragen, welche Rechte von wem erworben wurden. Da dies von dem gemeinsamen Willen der Parteien zum Zeitpunkt der Übertragung des Rechts abhängt, ermitteln die Juristen dies im Wege der sog. rechtsgeschäftlichen Auslegung. Bei der Auslegung wird ermittelt, was die Parteien gewollt haben, wobei eine Grenze in der Rechtsmacht des Übertragenden liegt. Auch wenn er will, kann er nicht mehr übertragen als ihm selbst zusteht.

    Spezifische Nutzungsrechte

    Zu beachten ist in diesem Zusammenhang insbesondere, dass Rechte oft nur für eine spezifische Nutzungsform erworben wurden und damit gerade keine Berechtigung besteht, dieses Werk auch anderweitig mittels anderer Nutzungsformen zu nutzen. Ein Beispiel für diese Problematik in Verbindung mit dem sogleich zu behandelnden Problem des Vervielfältigungsrechts ist etwa der Aufbau eines digitalen Pressespiegels.

    Mit dem Erwerb einer Zeitschrift hat das erwerbende Unternehmen zwar das Recht diese Zeitschrift (gemeint ist hier das physische bedruckte Papier) einer unbegrenzten Anzahl von Mitarbeitern zur Verfügung zu stellen; das Unternehmen hat jedoch nicht das Recht die in der Zeitschrift enthaltenen Artikel zu digitalisieren und in dieser Form an die Mitarbeiter zu verbreiten. Von Nichtjuristen wird an dieser Stelle gern der Einwand erhoben wie es sein kann, daß in meinem Unternehmen ein kopierter Pressespiegel mit Ausschnitten aus Zeitungen und Zeitschriften täglich verbreitet wird und dasselbe in digitaler Form, begrenzt auf das Unternehmensintranet, nicht möglich sein soll. Dieses widersprüchlich anmutende Ergebnis beruht auf dem Umstand, daß für Kopien eine pauschale Urheberrechtsabgabe gezahlt wird und daher eine vom rechtsgeschäftlichen Rechteerwerb unabhängige Möglichkeit der Verbreitung besteht. Der Preis, den wir alle dafür zahlen, besteht darin, daß wir auf jede (!) Kopie die wir machen und sei es die Ablichtung unserer eigenen handschriftlichen Aufzeichnungen, eine kleine Abgabe an die "Verwertungsgesellschaft Wort" (auch kurz VG-Wort genannt) - eine mit zum Teil öffentlichen Aufgaben versehene Einrichtung - zahlen. Wie eine ähnliche Konstruktion im Bereich digitaler Medien erreicht werden kann, beschäftigt derzeit eine ganze Reihe von Spezialisten ohne daß eine echte Lösung bis heute erkennbar wäre.

    Vervielfältigung und Weitergabe

    Ein weiteres Problem bei der Ermittlung der übertragenen Rechte ist das Recht zur Vervielfältigung und Weitergabe des Werkes. Wie eingangs schon erwähnt wurde, ist die Nutzung des Werks für eigene Erkenntnisse unproblematisch mit der Folge, dass ich die Produkte dieser eigenen Erkenntnisse an jeden in jeder Menge weitergeben darf. Auch wenn ich also die Idee eines berühmten Forschers vollständig übernehme und sie einfach nur allgemein verständlich ausdrücke, so schaffe ich ein eigenes Werk, das ich an jedermann so oft weitergeben kann wie ich will.

    Anders verhält es sich allerdings, wenn ein fremdes Werk weitergegeben werden soll. Ist dieses physisch in einem Buch verewigt, so kann das Buch weitergeben werden, wenn nichts anderes vereinbart ist. Im Wege der oben schon erwähnten Auslegung gehen die Juristen davon aus, dass mit dem Erwerb eines Buches oder einer Zeitschrift auch das Recht, dieses Stück weiterzugeben, mit übertragen wurde. Von dieser Regel kann aber in besonderen Fällen abgewichen werden, etwa wenn von einem Unternehmen eine interne Forschungsstudie erworben wurde, oder wenn es sich um Material von kommerziellen Agenturen handelt. Soll ein Werk weitergegeben werden, ist es also wichtig darauf zu achten, dass dies nicht explizit verboten wurde. Ist dies nicht der Fall, wird man von einem Übertragungsrecht ausgehen können.

    Wieder anders sieht es hingegen bei der Vervielfältigung aus. Mit dem Erwerb eines Werkexemplars wird in der Regel nicht oder nur sehr eingeschränkt das Recht eingeräumt, dieses Werk überhaupt zu vervielfältigen. Welche Rechte an einem im Internet veröffentlichten Artikel preisgegeben werden sollen, ist nicht eindeutig und ebenfalls im Wege der Auslegung zu ermitteln. Keinesfalls darf die Verfügbarkeit dieser Artikel zu der Annahme verleiten, sie seien nicht geschützt. Insbesondere dann, wenn der Rechteinhaber einen Vorbehalt an dem Werk anbringt, kann jegliche Nutzung außer der reinen Wahrnehmung im Internet durch Aufruf der URL verboten sein. Unproblematisch ist allerdings das Anbringen eines Links, der auf die entsprechende Seite verweist. Das deutsche Recht kennt im Bereich der Vervielfältigung von urheberrechtlichen Werken eine gewisse Priviliegierung des privaten Gebrauchs, die oft zu Fehleinschätzungen führt. Hierzu ist festzustellen, dass das Recht, Kopien für den privaten Gebrauch herzustellen begrenzt ist und keinesfalls im geschäftlichen Umfeld besteht. Es versagt immer (auch im privaten Bereich) wenn die Vervielfältigung der Weitergabe dient.

    Sicherung von Rechten

    Steht also der Umfang der rechtsgeschäftlich übertragenen Rechte im Vordergrund der Fragestellung, wie ich Werke in meinem eigenen Informations- bzw. Wissensmanagementsystemen nutzen kann, so liegt hierin auch die Grundlage für einen wirksamen Schutz meiner Rechte bzw. der Rechte meines Unternehmens gegenüber Dritten. Wichtig ist insbesonders, klare Verhältnisse hinsichtlich der erwünschten und der nicht erwünschten Nutzung durch die Adressaten zu schaffen. Gerade bei der Veröffentlichung von Artikeln in elektronischer Form sollte darauf geachtet werden, daß die Artikel, die nur eingeschränkt weiter genutzt werden sollen, auch einen eindeutigen Vermerk tragen. Im Zweifel sollte ein solcher Vermerk auf jeder betroffenen Seite angebracht werden, damit diese Information, etwa durch ein Abspeichern der Seite, nicht verloren gehen kann.

    Ergebnisse:

    • Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß nicht Ideen, sondern nur Werke geschützt sind. Schreibe ich die Idee eines anderen um, berichte über sie oder passe sie gar an meine Verhältnisse an, so ist dies urheberrechtlich unbedenklich.
    • Die Ausnahmen von dieser Regel beziehen sich auf sittenwidriges Verhalten oder bestimmte Patent- bzw. Gebrauchsmuster, die im Bereich des Wissensmanagement praktisch keine Rolle spielen dürften.
    • Umkehrt folgt hieraus, dass Ideen, die geschützt werden müssen, in der Regel nicht in Wissensmanagementsystemen integriert werden können.
    • Grundsätzlich ist es im Zusammenhang mit dem Urheberschutz, also der Verwendung von Werken (nicht Ideen) anderer, notwendig, dass eine rechtsgeschäftliche Übertragung vorliegt, oder ein gesetzliches Verwendungsprivileg (etwa Zitat) besteht.
    • Im Rahmen der rechtsgeschäftlichen Übertragung kommt es immer auf die im Einzelfall erworbenen Nutzungs- bzw. Gebrauchsrechte an. Der Umfang der übertragenen Rechte ist im Zweifel im Wege der Auslegung zu ermitteln.
    • Im Wege der rechtsgeschäftlichen Übertragung kann immer nur das weitergegeben werden, was selbst an Rechten erworben wurde. Was im Rahmen dieser Grenze weitergegeben werden kann, unterliegt ebenfalls der vertraglichen Regelung.
    • Bei eigenen Werken ist es ratsam zumindest klarzustellen, welche Rechte man dem Adressaten einzuräumen bereit ist. Dies gilt im Zweifel auch und gerade für Veröffentlichungen im Internet.

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