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Was verbirgt sich hinter der Externalisierung von implizitem Wissen?
13. September 2011 von Dr. Oliver T. GilbertSeit vielen Jahren scheint die Externalisierung erforscht zu sein und doch zeigt sie nur mäßigen Erfolg im Umgang mit dem impliziten Wissen. Der Autor ist der Frage nachgegangen, woran dies liegt und was genau sich hinter der Externalisierung verbirgt. Die Ergebnisse sind Antworten aus einer wissenschaftlichen Studie im Rahmen seiner Dissertation an der Steinbeis-Hochschule Berlin. Es ist gelungen die Dimensionen der Externalisierung zu erfassen und in einem Gesamtkontext zu operationalisieren.
Den Begriff der Externalisierung von implizitem Wissen wurde durch die Wissenschaftler Ikujiro Nonaka und Hirotaka Takeuchi [1] geschaffen und als Umwandlung von implizitem in explizites Wissen definiert. In ihrem SECI-Modell (Abbildung 1) als erläuterndes Transformationsmodell beschreiben die Wissenschaftler erstmalig die Entstehung von Wissen in Unternehmen.
Abbildung 1: SECI-Modell mit der Erweiterung um den Kontext "Ba" [2] (Quelle: Eigene Darstellung)
Auf der Suche nach einer Antwort, ist es zunächst hilfreich eine Klärung der Begrifflichkeiten zu vollziehen. In der Literatur findet sich eine regelrechte Definitionsunschärfe der Begriffe Wissen und implizites Wissen. Entscheidend auch für das Verständnis über die Externalisierung ist die Differenzierung von Zeichen, Daten, Informationen und Wissen. Während Zeichen konkrete Ziffern und Buchstaben sind und durch die Verknüpfung von Syntax zu Daten werden, können diese erst durch eine klare Semantik zu Informationen heranwachsen. Die Definition von Probst, Raub und Romhardt arbeitet die für den Wissensbegriff entscheidende Dimensionsvielfalt und Handlungsorientierung heraus: "Wissen bezeichnet die Gesamtheit der Kenntnisse und Fähigkeiten, die Individuen zur Lösung von Problemen einsetzen. Dies umfasst sowohl theoretische Erkenntnisse als auch praktische Alltagsregeln und Handlungsanweisungen. Wissen stützt sich auf Daten und Informationen, ist im Gegensatz zu diesen jedoch immer an Personen gebunden. Es wird von Individuen konstruiert und repräsentiert deren Erwartungen über Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge." [3] Hasler Roumois definiert implizites Wissen deshalb als, "die Gesamtheit des Wissens im Kopf des Menschen, das in einem unbewussten (stillen Wissen), nicht bewussten (latentes Wissen) oder bewussten Zustand vorkommt und aus kognitiven Elementen sowie aus operativen, kognitiv unzugänglichen Elementen besteht." [4]
Für die Externalisierung muss folglich nicht nur implizites Wissen im Ganzen betrachtet werden, sondern genauer untersucht werden, welche Wissensanteile überhaupt externalisiert werden können. Die Literaturrecherche zeigt vor allem zwei zentrale Bedeutungen hinter der Externalisierung. Zum einen werden psychische Prozesse in verschiedenen Stadien im Gehirn des Menschen durchlaufen und auf dieses Weise Erfahrungen aus dem Langzeitgedächtnis ins Kurzzeitgedächtnis überführt. Dabei spielt die Bewusstseinsbildung als Prozess eine große Rolle, der durch äußere Einflüsse stimuliert werden kann. Zum anderen kann ein sozialer Kommunikationsprozess die Externalisierung auslösen, da letztendlich ein Erfahrungsaustausch mit sich oder anderen Personen stattfindet. Eine trennscharfe Definition kann wie folgt ausformuliert werden: "Externalisierung ist ein sozialer Kommunikationsprozess der Transformation von implizitem in explizites Wissen, durch Wissensaustausch von Individuen, zur organisationsweiten Verbreitung von implizitem Wissen. Dieses implizite Wissen wird von seinem spezifischen Kontext gelöst und in eine verbale oder visuelle Form abstrahiert, die von der Begriffs- über die Modell- bis zur Theoriebildung reicht. Durch Externalisierung entsteht neues explizites Wissen."
Wie die Abbildung 2 zeigt, muss nach neusten Erkenntnissen das Wissen als Kontinuum von absolut impliziten hin zu absolut expliziten Bestandteilen betrachtet werden. Dabei lässt sich das implizite Wissen in unbewusstes absolut implizites stilles Wissen kategorisieren, das völlig immateriell im Kopf des Menschen gebunden ist. Dieses in der Abbildung rot dargestellte Implizite wird nie externalisiert werden können. Hier kann über die Sozialisation versucht werden, Implizites durch implizites Nachahmen beispielsweise weiterzugeben. Die Externalisierung setzt seinen Schwerpunkt viel mehr auf nicht bewusstes implizites Wissen. Konkrete Erfahrungen und Erkenntnisse die im Langzeitgedächtnis abgespeichert wurden. Wird nun durch Kognition, der Bildung neuer Wissensstrukturen im Gehirn, dieses Wissen aktiviert und durch konkretes Nachdenken über einen Sachverhalt in einen bewussten Zustand überführt, hat die Bewusstseinsbildung als zweiter Prozessschritt der Externalisierung stattgefunden. Dieser beschriebene Vorgang erfolgt häufig und in der Regel völlig unbewusst, beim Zeitung lesen, in Gesprächen oder Nachdenken. Eine Idee ist eine Kognition und Elaboration, d.h. Bekanntes mit Neuem assoziiert. Noch ist diese Erkenntnis in einem Übergangszustand von implizit in explizit. Durch die konkrete Formalisierung dieses aktivierten Wissens durch Verbalisierung oder Visualisierung wird ein expliziter materieller ungebundener Zustand eingenommen. Verbalisierung ist dann das einfach in Sprache fassen der eigenen Idee, Erkenntnis oder Erfahrung. Häufig finden auch Externalisierungshandlungen in Form von Bildern statt, d.h. ein Mensch macht sich Notizen, Skizzen oder schreibt Gedankengänge in Konferenzen, Diskussionen oder Workshops mit.
Abbildung 2: Erweiterung des SECI-Modells (Quelle: Eigene Darstellung)
Mit dieser Erweiterung des SECI-Modells zum Externalisierungsmodell werden erstmalig die Abläufe der Externalisierung genau beschrieben und greifbar. Zudem wurden sowohl die neusten Erkenntnisse zu impliziten Wissen genauso berücksichtigt als auch die Personengebundenheit und Dimensionen von Wissen im Allgemeinen.
Für den Unternehmenskontext wird deutlich, warum beispielsweise die Informationstechnologie bei der Externalisierung nicht greift und bisher nur wenig Erfolge im Erfahrungsaustausch gebracht hat. IT hat lediglich bei der konkreten Formalisierung eine unterstützende Wirkung, die Kognition oder Bewusstseinsbildung kann hingegen nicht durch Wissensmanagement-Systeme oder Anwendungen gesteuert werden.
Somit wird deutlich, Externalisierung von impliziten Wissen und damit der Austausch von Erfahrungen ist ein an Individuen gebundener Prozess, deren Einflüsse bislang unbekannt sind und einer wissenschaftlichen Untersuchung bedürfen. Wissensmanagement aus rein technologischen Gesichtspunkten zu betrachten ist folglich für die Externalisierung eine falsche Herangehensweise.
[1] Nonaka, I. & Takeuchi, H. 1995: The Knowledge-Creating Company: How Japanese Companies Create the Dynamics of Innovation. Oxford University (7. September 1995). Die deutsche Übersetzung: Die Organisation des Wissens. Campus Verlag, 1. Auflage (19. Februar 1997)
[2] Nonaka, I.& Konno, N. 1998: The Concept of ”Ba”: Building A Foundation For Knowledge Creation, California Management Review, Jg. 40, Nr. 3, 40–54.
[3] Probst, G. J. B.; Raub, S.& Romhardt, K. 2010, S.23: Wissen managen: Wie Unternehmen ihre wertvollste Ressource optimal nutzen, 6. überarb. und erw. Aufl., Gabler, Wiesbaden.
[4] Hasler Roumois, U. 2007, S.43: Studienbuch Wissensmanagement: Grundlagen der Wissensarbeit in Wirtschafts-, Non-Profit- und Public-Organisationen, UTB, Orell Füssli, Zürich.
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