Gestaltung von Kommunikation in dynamischen Organisationen und Netzwerken

    14. März 2007 von M.A. B.A./Dipl.-Betriebsw. Bettina Pardon

    Wissen wird weitgehend kommunikativ vermittelt und trägt in der täglichen Zusammenarbeit zur Wertschöpfung bei. Hier geht es um die Frage, welche Kommunikationskompetenzen in der modernen Arbeitswelt benötigt werden. Was ist neu an der Kommunikation in flexiblen Organisationen und Netzwerken? Welche Bedingungen sind gleich geblieben? Was können Personen, Teams und Organisationen dazulernen, um ihre Potentiale besser zu verwirklichen? Wo fangen sie konkret an? Kommunikation ist ein strategischer Wirtschaftsfaktor und kein Wohlfühlthema für Luxuszeiten. Die Zusammenarbeit in klassischen Organisationen, Kooperationen und Netzwerken funktioniert nur bei gelingender Kommunikation zwischen allen Beteiligten.

    Dieser Beitrag wurde im Open Journal of Knowledge Management, Ausgabe II/2010 veröffentlicht.


     

    Einleitung

    Wissen wird weitgehend kommunikativ vermittelt und trägt in der täglichen Zusammenarbeit zur Wertschöpfung bei. Hier geht es um die Frage, welche Kommunikationskompetenzen in der modernen Arbeitswelt benötigt werden. Was ist neu an der Kommunikation in dynamischen Organisationen und Netzwerken? Welche Bedingungen sind gleich geblieben? Was können Personen, Teams und Orga-nisationen dazulernen, um ihre Potentiale besser zu verwirklichen? Wo fangen sie konkret an?

    Bekannt ist, dass der Erfolg jeder Zusammenarbeit von erfolgreicher Kommunikation zwischen allen Beteiligten abhängt. Kommunikation ist somit ein entscheidender Wirtschaftsfaktor und kein Wohlfühl-thema für Luxuszeiten oder Hochglanzbroschüren. Neu ist, dass die kommunikativen Abstimmungen in der höheren Dynamik des heutigen Tagesgeschäfts immer wichtiger werden. Die Grenzen zwischen interner und externer Kommunikation verlaufen fließend. Auch die moderne Informations- und Kommunikationstechnologie (IuK) zur "Vereinfachung" des Tagesgeschäfts erfordert neue Medienkompetenzen.

    Im Artikel werden folgende Punkte vertieft:

    • Besonderheiten von dynamischen Organisationen und Netzwerke
    • Kern-Funktionen von Kommunikation im Geschäftsalltag
    • Kommunikationskompetenzen in dynamischen Organisationen
    • Entwicklung einer fokussierten und tragfähigen Zusammenarbeit im dynamischen Umfeld

    Besonderheiten dynamischer Organisationen und Netzwerke

     

    Die globale Arbeitswelt befindet sich in einem radikalen Umbruch. Dynamische Märkte und virtuelle Arbeitsformen stellen Organisationen vor neue Herausforderungen. Laut Trendforscher Matthias Horx treten an die Stelle von alten Hierarchien zunehmend flexible Netzwerke und virtuelle Teamstrukturen. In projektgesteuerten Netzwerk-Unternehmen ändern sich auch die Formen der Zusammenarbeit und Kommunikation (vgl. Ackermann 2007). Unternehmensfusionen sind eine weitere Strategie, um den veränderten Marktanforderungen zu begegnen. Die Dynamik wirkt auch in Unternehmen hinein, wo temporäre Teamarbeit, Prozessoptimierungen und Re-Organisationen vermehrt stattfinden.

    Die gewohnte Sichtweise auf Organisationen als eher geschlossene, stabile und hierarchische Gebil-de wird von den aktuellen Entwicklungen überholt. Heute finden wir im Profit- und Non-Profit-Bereich vielfach modulare und virtuelle Organisationen, Kooperationsgeflechte und Netzwerke vor, auch hybride Organisationen genannt. Das Management dynamischer Organisationen ist stärker auf Autonomie, Kooperation und indirekte Führung ausgerichet, was mehr Eigenverantwortlichkeit und neue Kompetenzen der Führung und Zusammenarbeit bei den Akteuren erfordert (Picot et al. 2003: 288 ff.).

    Dabei sind Netzwerke und Kooperationen keine neuartigen Organisationsformen. Bereits früher wählten Unternehmer diesen Weg zur Verbesserung ihres Leistungsangebotes am Markt (vgl. Schuh et al. 2005: 32). Heute ändert sich die allerdings die Qualität der Beziehungen in Richtung steigender Unverbindlichkeit und zeitlicher Befristung. Besonders die moderne IuK bietet vielfältige Möglichkeiten der Beziehungsgestaltung.

    Folgende Übersicht zeigt die Besonderheiten dynamischer Organisationen, Kooperationen und Netz-werke gegenüber Einzelunternehmen (vgl. Schuh et al. 2005: 39, Roehl/Rollwagen 2004: 33):

    Akteure

    • Unterschiedliche Anzahl von Partner-Organisationen und Einzelakteuren
    • Heterogener fachlicher und unternehmerischer Hintergrund der beteiligten Partner-Organisationen
    • Bildung einer Vertrauensbasis für verschiedene Systeme mit ausgeprägter Identität

    Kooperationszweck und Wertschöpfung

    • Dynamischer Charakter von Zieldefinition, Klärung der Positionen und Strategien
    • Variabler Grad der wechselseitigen Wertschöpfung: lose Kopplung bis hin zu gemeinsamen Prozessen und Standards (vertikale, horizontale oder diagolnale Kooperationen, vgl. Picot et al. 2003: 306)

    Formalisierung von Strukturen und Prozessen

    • Prozesse stehen im Vordergrund vor den schwer planbaren Resultaten.
    • Unterschiedlicher Formalisierungsgrad von Rollen, Standards oder Prozessen je nach Kooperationsart und Phase
    • Hohe Fokalität (machtbezogene Zentralität) mit zentralen Partnern in einer Führungsrolle oder eher multilaterale Strukturen

    Zeithorizont

    • Vereinbarung einer kurzfristigen oder längerfristigen Dauer der Zusammenarbeit
    • Die Ausgangskonfiguration wird von der täglichen Zusammenarbeit häufig überholt und macht Änderungen des Ursprungsdesign notwendig.
    • Der Abbruch wird als normalen Bestandteil mit eingeschlossen.

    Beziehungsmangement und Kultur

    • Innere und äußere, offene und verdeckte Restriktionen bei den Partnern beeinflussen die Effektivität von Kooperationen und verhindern ökonomisch sinnvolle Entscheidungen.
    • Im Laufe der Kooperation finden Lernprozesse bei den Partnern statt. Sie überprüfen ihre Vereinbarungen in der Praxis und passen ihre Vereinbarungen immer wieder neu an.
    • Vor allem anfangs tendieren die Partner zu latentem Misstrauen, das durch kleine Ereignisse zu schwerwiegenden Kooperationshindernissen führen kann.
    • Der Veränderungsbedarf durch die Kooperation löst bei den Partnern Widerstände und eine Beharrung auf vertrauten Verhaltensmustern aus.
    • Latente Konflikte können den Kooperationszweck vereiteln: prinzipielle Skepsis, Macht- und Zielkonflikte, Persönliche Konflikte, Taktieren zur eigenen Überlegenheit.

    Diese Besonderheiten dynamischer Arbeitsformen zeigen, dass klassische Management-Aufgaben neue Ausrichtungen brauchen. Picot et al. fordern sogar ein neues Leitbild der Flexibiltät und Innovationsfähigkeit für Organisationen, um sich von der Denkweise der tayloristischen Industrieorganisation loszulösen (Picot et al. 2003: 7 ff.). Die Prozessorientierung löst feste Standards und Hierarchien ab, so dass die täglichen kommunikativen Abstimmungen eine stärkere Bedeutung gewinnen:
    "Auch wenn sich Phasen und Typen festlegen lassen, wird die Kooperation, sobald die Kommunikation mit den Partnern beginnt, immer wieder neu und überraschend." (Schuh et al. 2005: 150)

    Klassische Ansätze der internen Unternehmenskommunikation stoßen dabei an ihre Grenzen (vgl. Schick 2005).

    Abb. 1: Besonderheiten von dynamischen Organisationen und Konsequenzen für Kommunikation

     

    Abb. 1: Besonderheiten von dynamischen Organisationen und Konsequenzen für die Kommunikation

    Fazit ist, dass der Erfolg von dynamischen Organisationen von der Wirksamkeit der einzelnen Akteure innerhalb des Gesamtgebildes abhängt. Es kommt auf das Interaktionsgeschehen zwischen den Netzwerk-Partnern an, inwiefern sie sich verständigen können und die gemeinsamen Ziele verfolgen (vgl. Wilkens 2004: 11). Daher liegt die Kompetenz dynamischer Organisationen im Beziehungssystem, das ihre zentrale Ressource wird. Eine höhere Veränderungsdynamik, unvertraute Kooperationspartner, weniger Routinen, virtuelle Zusammenarbeit und der temporäre Charakter von dynamischen Ar-beitsformen fordern von den Akteueren erweiterte Kompetenzen.

    Kern-Funktionen von Kommunikation

    Professionelle Kommunikation und Zusammenarbeit ist der Schlüssel zum Erfolg in dynamischen Organisationen. Welche besonderen Kompetenzen brauchen die Akteure? Wie können die Rahmen-bedingungen günstig gestaltet werden? Wozu dient Kommunikation eigentlich?

    Im Prinzip läuft es darauf hinaus, dass sich zwei Personen verständigen und ihre gemeinsamen Hand-lungen auf ein Ziel hin koordinieren. Auch große Organisationen bestehen letztlich aus einer Vielzahl von Interaktionen zwischen einzelnen Personen, die ihre Wirkung auf das Gesamtgebilde übertragen. Gleichzeitig stehen Personen, Teams und Organisationen in ständiger Wechselwirkung mit ihrer Umgebung. Die Resonanzen zwischen den Ebenen werden kommunikativ vermittelt.

    Die Qualität jeder Kommunikation gibt Organisationen Klang, Rhythmus und Volumen. Kommunikation hat vier Kern-Funktionen, um gemeinschaftliche Handlungen zu steuern. Sie stellt den Kontakt zwischen den Akteuren her (Konstitution), wirkt als Medium der Wissensvermittlung (Interpretation), ermöglicht die effiziente Verständigung (Steuerung) und knüpft und erhält das zwischenmenschliche Beziehungsgeflecht (Beziehungsgestaltung).

    Konstitution - Wechselseitiger Kontakt
    Wechselseitiger Kontakt zwischen den Akteuren ist die Voraussetzung jeglicher Kommunikation, d.h. ein Kommunikationsversuch muss beim anderen auch ankommen. Erst mittels Kommunikation setzen die Akteure ihr Synergiepotential in Realität um. Damit bildet Kommunikation die Brücke zwischen individuellen und gemeinschaftlichen Handlungen. In allen Organisationen stehen die kommunikativen Impulse zwischen der Personen-, Team- und Organisationsebene in Wechselwirkung und strahlen auch über ihre Grenzen hinweg.

    Kommunikationsprozesse können synchron (z.B. Gespräch, Telefonat, Videokonferenz) oder auch asynchron (z.B. Briefe, e-mails, Blogs) verlaufen. Ohne gemeinsame Wahrnehmung beruht Kommunikation zunächst auf der Annahme eines Kontaktes, der erst zeitverzögert in seinem Zustandekommen und seiner Qualität bestätigt wird. Einerseits erleichtert und beschleunigt die starke Zunahme an tech-nisch vermittelter und asynchroner Kommunikation den Austausch enorm. Andererseits stellt die In-formationsfülle, Medienvielfalt und geringere persönliche Präsenz neue Anforderungen an die Akteure (vgl. Pardon 2006: 88 ff.).

    Interpretation - Symbolische Vermittlung
    Während der Kommunikation findet jede Wahrnehmung und jedes Verstehen als Interpretation durch die individuelle "Brille" statt. Jede Person sieht die Welt mit eigenen Augen. In ihrer Biographie hat sie ihre spezifischen Erfahrungen gesammelt und als Sicht auf die Welt mit einer generellen Lebenshaltung, Denk- und Handlungsmustern recht fest "verdrahtet". Bei Interpretationen handelt es sich nicht um eine Rekonstruktion des vom Partner Gemeinten, sondern immer um die situative Konstruktion der Person. Wahrnehmendes Deuten heißt auch Hinzulernen, Wissensgenerierung und Kompetenzentwicklung (vlg. Pardon 2003: 46 ff.). Die persönliche Aneignung geht der Praxisumsetzung voraus.

    Interpretationsfähigkeit ist daher eine Kern-Kompetenz von Netzwerk-Akteuren. Mit verbaler und non-verbaler Kommunikation gelangen sie von einer persönlichen zu einer gemeinsamen Sicht auf die Situation. Zu Beginn einer Kooperation brauchen die Akteure z.B. keine identische Vorstellung von Kooperationsmanagement zu haben. Das gemeinsame Verständnis handeln sie - geleitet durch ihre Interpretationen - situativ und pragmatisch aus, bis sie ausreichende Übereinstimmung vermuten.

    Steuerung - Effiziente Verständigung
    Kommunikation ermöglicht und steuert alle unternehmerischen und zwischenmenschlichen Prozesse. Die Qualität der Verständigung entscheidet über den geschäftlichen und zwischenmenschlichen Erfolg von Kooperationen. Meist gehen Akteure von gelingender Verständigung aus, auch wenn natürlich jede Interaktion die Gefahr von Fehlinterpretationen und Missverständnissen birgt. In Zweifelsfällen können sie verschiedene Methoden zur Verständigungssicherung verwenden. Weil diese Methoden wiederum auf Kommunikation beruhen, gibt es letzlich kein gesichertes Wissen über täuschungsfreies Verstehen (vgl. Ungeheuer 1987: 320)

    Den Kommunikationserfolg leiten wir aus den Folgehandlungen ab. Geschieht nicht das Erwartete, kann es an einem Missverständnis liegen. In der Praxis ergeben sich unzählige Möglichkeiten, aufgrund falscher Vorannahmen und mit unterschiedlichen Informationsständen zu arbeiten, bis es einigen Beteiligten irgendwann auffällt. Der bewusste und professionelle kommunikative Umgang ermöglicht eine effiziente Kommunikation, die bezogen auf die gemeinschaftlichen Handlungsziele qualitativ hochwertige Ergebnisse erzielt. Persönlicher Präsenz bietet dabei die reichhaltigsten Möglichkeiten zur gegenseitigen Verständigung.

    Beziehungsgestaltung - Professionelle Umgangskultur
    Wechselseitiger Kontakt ist die Basis jeder kommunikativen Interaktion. Die Interaktionsqualität wird maßgeblich duch die Beziehung der Akteure bestimmt. Eine verlässliche Beziehungsbasis erleichtert die produktive Zusammenarbeit, denn kommunikative Verständigung geschieht auf rationaler und emotionaler Ebene. Gefühle wie Sympathie oder Antipathie, Vertrauen oder Skepsis beeinflussen die Überzeugung, "eine Wellenlänge" zu haben und verbesern den Umgang mit Konflikten. Andererseits wird eine ""gestörte" Beziehung zwischen zentralen Kooperationsträgern [..] fast unweigerlich zum Scheitern der gesamten Kooperation führen" (Schuh et al. 2005: 81)

    Kommunikation gelingt leichter bei einer soliden persönlichen und professionellen Beziehungsbasis. Die Umgangskultur richtet sich nach den Anforderungen der jeweiligen Kooperation und bedarf einer andauernden Prozessgestaltung. Ein anfänglicher Vertrauensvorschuss und Basisvereinbarungen zum gegenseitigen Umgang setzen gemeinsame Erfahrungen in Gang. Entsprechen sie den Erwar-tungen und Vereinbarungen der Kooperation, kann sich ein Beziehungssystem entwickeln, das laut Wilkens (2004: 11) nachhaltige Wettbewerbsvorteile sichert.

    Natürlich kommen die vier Kern-Funktionen von Kommunikation in allen Organisationsformen zum Tragen. Die Besonderheiten von dynamischen Organisationen und Netzwerken erhöhen jedoch die Bedeutung der Prozessgestaltung und Entwicklungsfähigkeit. Gelingende Kommunikation wird zum strategischen und operativen Erfolgsfaktor einer produktiven Zusammenarbeit.

    Kommunikationskompetenzen in dynamischen Organisationen

    Was ist nun neu an der Kommunikation in dynamischen Organisationsformen? Welche Konstanten dürfen nicht außer Acht gelassen werden? Welche Kompetenzen sind erforderlich?

    Bei zwischenmenschlicher Kommunikation gibt es Grundelemente, die an jeder Interaktion beteiligt sind und hier in aller Kürze beschrieben werden. Keine Kommunikation kommt an ihnen vorbei:

    Abb. 2: Grundelemente kommunikativer Interaktion

    Mindestens zwei Akteure stehen in Kontakt und tauschen sich über ein Thema oder ihre Umgangsform aus. Der Austausch geschieht symbolisch (Sprache, Schrift, Bilder etc.) und in gegenseitiger Präsenz oder elektronisch vermittelt. Beide Akteure interpretieren die sprachliche oder schriftliche Mitteilung sowie den Ausdruck und das Erscheinungsbild des Partners als Gesamtheit. Sie steuern sich ständig gegenseitig und passen ihre Verständigungsbemühungen an die Verstehenssignale an.

    Dies geschieht im Kontext, d.h. Vorgeschichte, Anlass, Raum, Zeit, Rollen, Macht- und Interessenslagen etc. geben dem Kommunikationsprozess seine Würze.

    Abb. 2: Grundelemente kommunikativer Interaktion

    Notwendig sind neue Kompetenzen bei der Beziehungsgestaltung in dynamischen Organisationen, beim Medieneinsatz und beim Umgang mit permanentem und dynamischem Wandel. Kompetenzen befähigen in komplexen und ungewissen Situationen zu situationsunabhängiger Handlungs- und Problemlösungsfähigkeit auf der Ebene von Personen, Teams, Organisationen und Netzwerken (vgl. Wilkens 2004: 2 ff.). Kommunikation vermittelt Fach- und Methodenkompetenzen und ist zentrales Element der Sozial- und Selbstkompetenzen.

    Neue Beziehungsentwicklung
    Kommunikation gelingt leichter, wenn man sich gegenseitig kennt und einander hinsichtlich der Eigenheiten, Vorlieben und Werte einschätzen kann. Besteht eine Vertrauensbasis, ist der Umgang mit Fehlern und Konflikten leichter. Bei längerer Zusammenarbeit spielen sich Abläufe ein, entwickeln sich Absprachen, Routinen und Rituale, man arbeitet "Hand in Hand". Gemeinsame Erfahrungen in formel-len und informellen Situationen führen zu individuellem und kollektivem Lernen und gemeinsamem Wachstum. Neben dem rein fachlichen Know-how entwickelt sich auch Prozess-Know-how, das die Interaktionsqualität ausmacht und Innovationen fördert.

    Diese Idealsituation findet sich in dynamischen Organisationen und Netzwerken kaum wieder. Wie oben beschrieben zeichnen sie sich durch fluide und temporäre Zusammenarbeit aus, die stabilisierende Faktoren wie gemeinsame Erfahrungen, Prozesse, Umgangsformen und Vertrauen entbehren. Hier sind die Akteure besonders gefordert, ihre persönlichen, methodischen und sozialen Kompeten-zen der Kommunikation zu entwickeln (vgl. Pardon 2006: 105 ff.):

    • Eine strategische und situative Professionalität verschafft den Akteuren Klarheit über ihre Position und Rolle in der Organisation und ihrem dynamischen Handlungsumfeld. Dies ist die Voraussetzung für ein fokussiertes Planen und Handeln mit heterogenen Partnern und die Entwicklung ihrer Beziehungsbasis.
    • Das Selbst-Bewusstsein der eigenen Haltung, Einstellungen, Motive und Werte führt zu einer effizienteren Gestaltung der Arbeitsbeziehungen. Die kommunikativen Vermittlungs- und Verständigungsbemühungen werden durch diese "Brille" gefiltert oder prallen ab. Gemeinsamkeiten entwickeln sich erst, wenn die einander unbekannten oder unvertrauten Akteure Anknüpfungspunkte finden.
    • Die Anforderungen an das interpretative Lernen der Akteure sind in dynamischen Organisationen höher, weil viele interdisziplinäre und interkulturelle Hintergründe temporär zusammentreffen. Die komplexen Verstehensprozesse der Akteure werden durch eine offenen, flexible Arbeitshaltung und Feedback- und Review-Schleifen unterstützt. "Verstehen" hat immer einen fachlichen und persönlichen Anteil, wobei eine solide Beziehungsbasis die fachliche Zusammenarbeit ermöglicht und stärkt.
    • Kooperationserfolg stellt sich ein, wenn die vielfältigen Kommunikationsprozesse hinreichend gelungen sind. In dynamischen Arbeitskontexten können die Partner ihre Methoden der Verständigungssicherung nur unter erschwerten Bedingungen einsetzen: seltene persönliche Präsenz, fehlenden Routinen, Konzentration auf (elektronisch-)schriftlichen Austausch und asynchrone Interaktion. Der ganzheitliche Charakter von face-to-face-Kommunikation bietet den reichhaltigsten Kontakt.

    Neue Medien
    Die rasanten Entwicklungen in der Informations- und Kommunikationstechnolgie verändern die Form, Geschwindigkeit, Datenmengen, Synchronizität und die Erwartungen an den interaktiven Austausch. Laut Picot et al. (2003: 6) überwindet die IuK traditionelle Organisationsgrenzen durch:

    • Kommunikations- und Transporterleichterungen auf regionaler und internationaler Ebene,
    • Erleichterte kommunikative Einbindung von Partnern,
    • Flexible Einbeziehung von Ressourcen erweitern Kapazitätsgrenzen,
    • Vereinfachten weltweiten Zugriff auf Informationsbestände und Wissensträger,
    • Bündelungs- und Vernetzungsmöglichkeiten von Prozessen und Personen.

    Die Potentiale moderner Medien sind eine wesentliche Voraussetzung für die Entstehung neuer Organisationsformen durch unternehmensübergreifende Netzinfrastruktur und verteilte, integrierte Anwendungsarchitekturen. Zwischen Organisationen erfolgt der Einsatz von Groupware-Systemen über Extranets, innerhalb von Organisationen geschieht dies durch Intranets mit hohen Übertragungsraten für interaktive und multimediale Anwendungen (vgl. Picot et al. 2003: 277 ff.) Diese Entwicklungen erlauben eine organisatorische und räumliche Dezentralisierung der Arbeitsprozesse und verändern die Anforderungen an die Zusammenarbeit.

    Die Einsatzmöglichkeiten der modernen IuK werden durch die Grundelemente kommunikativer Interaktion begrenzt. Den rasant wachsenden Transferkapazitäten von Servern und Kommunikationsnetzen halten die Kapazitäten zur Informationsverarbeitung und Wissensaneignung der Akteure nicht stand. Selbstmanagement und persönliches Informations- und Wissensmanagement sind zentrale Kompetenzen der Akteure in dynamischen Organisationen und Netzwerken, um den Informationsbedarf effizient zu befriedigen, Relevanzen und Prioritäten angesichts des Informationsangebots festzulegen und die IuK-Medien zielorientiert einzusetzen. Ziel ist es, sich aus der Informationsfülle Wissen anzueignen. Face-to-Face-Kommunikation empfiehlt sich für Anlässe zur Vertrauensbildung, Vermittlung von Erfahrungswissen, kreativen Entscheidungsfindung und Konfliktlösung, während sich schriftliche Kommunikation vor allem für routinisierte und administrative Aufgaben eignet.

    Auch die Kommunikationsabläufe ändern sich durch dezentrale IuK-Nutzungsmöglichkeiten. In klassischen Organisationen folgen Kommunikationswege eher den hierarchischen Strukturen. Die unter dem Stichwort Web 2.0 zusammengefassten Phänomene erlauben eine größere Partizipation der Akteure über Weblogs, Foren, Chats und Communities (vgl. Schroll/Neef 2006). Sie gelten sowohl in netzwerkartigen Organisationen als auch innerhalb von Unternehmen, die über ihre Internet- und Intranet-Auftritte und Corporate-Blogs zunehmend interaktive Möglichkeiten bieten, z.B. Executive-Blogs von Vorständen. Die hierarchischen Kommunikationsstrukturen werden durch direkte Wege in einer wenig kanalisierbaren Kommunikation innerhalb und zwischen Gruppen ersetzt. Dies setzt Ent-wicklungen der Kommunikations- und Informationskultur in Organisationen in Gang.

    Alle Möglichkeiten der modernen IuK dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie Werkzeuge und kein Selbstzweck sind. Ansonsten würden wir Ross und Reiter verwechseln. Schließlich profitieren dynamische Organisationen und Netzwerke nur von realisierter Kommunikation und der gemeinsamen Umsetzung von Wissen - und nicht allein von den technischen Potentialen. Die kommunikative Vermittlungskompetenz in der heutigen Medienvielfalt ist entscheidend, d.h. die Medienauswahl, Kontaktherstellung und Empfängerorientierung. In der Praxis gelten häufig die Quantität und Verfügbarkeit von Informationen als Richtwerte. Für gelingende und effiziente Kommunikation wird vielmehr ein Fokus auf Kontakt und Qualität empfohlen.

    Neue Veränderungsdynamik
    Eine bekannte Weisheit ist, dass das Beständigste der Wandel ist. Neu sind die Dynamik der Verän-derung und die abnehmende Dauer von Phasen der Konstanz, Stabilität und Gewissheit. Problema-tisch kann für Personen die Erwartungs- oder Anspruchshaltung werden, dass dynamischer und per-manenter Wandel eine vorübergehende Erscheinung sind und sich ein stabiles Umfeld schon wieder einstellen wird. Alle Beobachtungen des aktuellen Weltgeschehens weisen in andere Richtungen.

    Diese Dynamik gilt für das Gesellschafts-, Wirtschafts- und Erwerbsleben jedes Einzelnen. Sie spiegelt sich in der Auflösung oder Auffächerung traditioneller Erwerbsbiographien und Beschäftigungsbiographien. Augrund häufigerer Organisationswechsel gewinnen Kompetenzen der Selbstregulationsfähigkeit stark an Bedeutung. Aktuelle Studien zeigen, dass sich die individuelle Identitätsbildung und stabile Interaktionsbeziehung vieler Arbeitskraftunternehmer bzw. Wissensarbeiter auf die Ebene tätigkeitsbezogener Netzwerke verlagert. Die externen Bindungen zu Kunden und Professionsgemeinschaften sind höher als die zu Organisation und Arbeitsteam. Somit weisen sie starke Netzwerk-Kompetenz auf mit dem Ziel, ihre persönliche Employabiltity zu erhöhen (vgl. Wilkens 2004: 18).

    Die Mitarbeiter der Zukunft sind also auf internationale Zusammenarbeit und das Agieren in Netzwerken angewiesen. Die vielfältigen Anforderungen im Umgang mit interkulturellen Teampartnern, die virtuelle Kooperation, die Bewertung von Handlungsalternativen und die Führung dieser Gebilde. "Hierfür sind vor allem Qualifikationen im schwierigen Feld der Kommunikation zu entwickeln. Wichtige Fragen betreffen dabei den Aufbau von Vertrauen und die Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen." (Picot et al. 2003: 12)

    Effektive Zusammenarbeit in einem dynamischen Umfeld

    Neben der Gestaltung der persönlichen und zwischenmenschlichen Interaktionskompetenzen sind auch die Rahmenbedingungen von Organisationen auf ihr Umfeld auszurichten. Die Management-Funktionen der Planung, Steuerung und Kontrolle werden in einem stabilen bzw. dynamischen Umfeld anders ausgefüllt. Es sind also gradualle Inhaltsunterschiede auf einem Kontinuum von Aufgaben, die das Management von dynamischen Organisationen, Kooperationen und Netzwerken auszeichnen.

    Eingangs sind die Besonderheiten von dynamischen Organisationen dargestellt worden, die sich auf Akteure, Kooperationszweck und Wertschöpfung, Formalisierung von Strukturen und Prozessen, Zeit-horizont, Beziehungsmanagement und Kultur beziehen. Fazit war, dass der Erfolg von dynamischen Organisationen von der Wirksamkeit der einzelnen Akteure innerhalb des Gesamtgebildes abhängt. Die Organisations- bzw. Netzwerkkompetenz liegen im Beziehungssystem und seiner jeweiligen Inter-aktionsqualität.

    Abb.3: Zentrale Rolle der Akteure bei der Gestaltung dynamische Kooperationen

     

    Abb.3: Zentrale Rolle der Akteure bei der Gestaltung dynamische Kooperationen

    Die notwendigen Kommunikations- und Kooperationskompetenzen der beteiligten Akteure wenden sich an die Gestaltung ihrer Kooperationsziele, Kooperationsform und Interaktionssituation. Neuere neurobiologische Forschung hat ergeben, dass kooperatives Verhalten eine Grundelement der menschlichen Natur ist und die Hauptquelle der Motivation. Gelingende Beziehungen und Kooperation erzeugen Motivation (vgl. Bauer 2006: 199 ff.) Bezogen auf dynamische Organisationen heißt das:

    Kooperationsform: Die virtuelle, temporäre und dezentrale Zusammenarbeit zwischen heterogenen Partnern mit erhöht die Bedeutung flexibler Führung und Prozesse, adäquater IuK-Infrastruktur sowie die Entwicklung eines Kernteams. Hier sind vor allem Change Management, die Etablierung eines gemeinsamen Ziel- und Wertekanons sowie einer Lernkultur mit Feedback- und Reviewzyklen entscheidend.

    Kooperationsziele: Die Ziele, Zwecke und Strategie der Organisationen werden flexibel vereinbart und an das Marktgeschehen angepasst. Die Bewertung der Kooperationspartner erfolgt zukunftsorientiert und ausgerichtet an den gemeinsam zu schaffenden Potentialen. Entscheidungen über den Zeithorizont und Vernetzungsgrad der Wertschöpfung richtet sich nach dem gewählten Kooperationstyp. Neben dem "economic contract" hat sich die Explizierung des "social contract" bewährt. Schuh et al. zeigen das Risiko bei Intransparenz: "Sharing the same bed, but having different dreams" (2005: 136)

    Aktuelle Interaktionssituation: Jede Interaktion prägt das Beziehungssystem der dynamischen Organisationen und sollte die Kern-Funktionen von Kommunikation ermöglichen. Dazu gehören regelmäßige reale Begegnungsräume, phasen- und anlassgerechte Medienwahl, Zeiträume für Ziele des "economic" und "social contract", professionelle Vorbereitung, Moderation und Nachbereitung entscheidender Interaktionen. Der Erfolg einer Kooperation entscheidet sich nicht am Planungstisch oder auf Hochglanzpapier, sondern in den unzähligen Interaktionen zwischen den Akteuren jeden Tag.

    Fazit

    Jede Kommunikation verleiht Organisationen Klang, Rhythmus und Volumen. Die Dynamik in Kooperationen und Netzwerken weist den Akteuren bei der Prozessgestaltung eine zentrale Rolle zu. Die Resonanzen zwischen den Akteuren, Teams, der Organisation und ihren externen Partnern entscheiden über das Ausmaß und die Qualität des Kooperationserfolgs. Kommunikation ist also gleichzeitig Voraussetzung und Instrument der Gestaltung der Interaktionsbeziehungen.

    Die Besonderheiten von dynamischen Organisationen erfordern den bewussten Einsatz der KernFunktionen von Kommunikation (Konstitution, Interpretation, Steuerung, Beziehungsgestaltung), um die Konsequenzen einer Verständigungsillusion zu vermeiden. Neue und vertiefte Kommunikationskompetenzen sind für die dynamischen Beziehungsgestaltung, den Einsatz neuer Medien und den Umgang mit permanentem Wandel erforderlich. Das Beziehungssystem entwickelt sich innerhalb seiner flexiblen Formen und Ziele und realisiert erst bei hoher Interaktionsqualität die gewünschten nachhaltige Wettbewerbsvorteile.

    Literatur

    Ackermann, Rolf: Megatrend Arbeitswelt: Bunt und flexibel, Wirtschaftswoche 7/2007.
    Bauer, Joachim: Prinzip Menschlichkeit - Warum wir von Natur aus kooperieren, Hoffmann und Campe, 2006.
    Pardon, Bettina: Kommunikationskompetenzen von Netzwerk-Akteuren, in: Lembke, G./ Müller, M. / Schneidwind, U. (Hrsg.): Wissensnetzwerke: Grundlagen - Anwendungsfelder - Praxisberichte, LernAct! Verlag, Wiesbaden, 2006
    Pardon, Bettina: Kommunikationsorientiertes Wissensmanagement, in: profile - Internationale Zeitschrift für Veränderung, Lernen, Dialog, Nr. 6, S. 42-50, 2003
    Picot, Arnold/ Reichwald, Ralf/Wigand, Rolf: Die Grenzenlose Unternehmung - Information, Organisation und Management, Gabler, 2003
    Roehl, Heiko/ Rollwagen, Ingo: Club, Syndikat, Party - wie wird morgen kooperiert?, in: Zeitschrift für Organisationsentwicklung, S. 30 - 41, 2004
    Schick, Siegfried: Interne Unternehmenskommunikation, Schäfer Poeschel, 2005
    Schroll, Willi/ Neef, Andreas: Web 2.0 - Was ist dran? Teil I und II, Z_punkt GmbH, The Foresight Company, www.z-punkt.de , 2006
    Schuh, Günther /Friedli, Thomas/Kurr, Michael A.: Kooperationsmanagement - Systematische Vorbereitung, Gezielter Auf- und Ausbau, Entscheidende Erfolgsfaktore, Hanser, 2005
    Ungeheuer, Gerold: Vor-Urteile über Sprechen, Mitteilen, Verstehen, in: Juchem, Johann G. (Hrsg.): Kommunikationstheoretische Schriften I, Aachener Studien zur Semiotik und Kommunikationsforschung, Alano Verlag, S. 290-338, 1987
    Wilkens, Uta: Von der individuellen zur kollektiven Kompetenz?, Paper Herbstworkshop der Kommission Personal, Universität Konstanz, 2004
    www.uni-konstanz.de/FuF/Verwiss/Klimecki/KomPers/fullpapers/Wilkens.pdf

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